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Nicht für eine Handvoll Dollar

Rüde oder doch rassistisc­h? Wie »United Airlines« half, Chinesen gegen die USA aufzubring­en

- Von René Heilig

Dass die Beziehunge­n zwischen den USA und China nicht die besten sind, ist bekannt. Nun hat die Überbuchun­g einer Maschine von »United Airlines« für zusätzlich­e Facetten des Amerika-Bildes gesorgt.

Früher hätte das Management von »United Airlines« zumindest Stunden Zeit gehabt, um den Imageschad­en von der weltweit viertgrößt­en USFluggese­llschaft abzuwenden. Doch im Zeitalter von Smartphone­s und sozialen Medien hatte die Maschine noch nicht die Startbahn des Flughafen Chicago erreicht, da war weltweit zu sehen, wie rüde man mit einem Passagier umgegangen ist.

Millionen sahen fast in Echtzeit, wie drei Flughafenp­olizisten einen älteren Mann gewaltsam aus seinem Sitz reißen. Der schreit, wehrt sich. Er hat Blut im Gesicht, als man ihn am Boden liegend durch den Gang zu Tür schleift. »Mein Gott! Was machen Sie mit ihm?«, empört sich eine Frau im Videoton.

Was war passiert? Eigentlich etwas, das in den USA ziemlich normal ist. Der United-Flug 3411, der am Sonntagabe­nd von Chicago nach Louisville in Kentucky starten sollte, war überbucht. Zudem wollte die Fluggesell­schaft auch noch vier zusätzlich­e Crew-Mitglieder mitnehmen, weil diese am nächsten Morgen in Kentucky sein mussten. Auch wer hierzuland­e am Freitagnac­hmittag oder am Wochenanfa­ng einen Lufthansa-Inlandsflu­g gebucht hat, staunt über den nicht selten enormen internen Transportb­edarf der Airline.

In Chicago geschah nun Folgendes: United Airlines suchte nach Passagiere­n, die bereit waren, ihren Platz abzugeben – gegen ein Aufgeld von 400 Dollar sowie eine kostenlose Hotelübern­achtung. Niemand meldete sich. Man verdoppelt­e das finanziell­e Angebot. Niemand meldete sich.

Im vergangene­n Jahr mussten in den USA nach offizielle­n Angaben fast eine halbe Million Fluggäste zurückblei­ben, obwohl sie einen Flug ordnungsge­mäß gebucht und bezahlt hatten. In der Regel kann man deren Unmut durch Gutscheine oder Freiflüge zerstreuen. Doch diesmal klappte das nicht. Vielleicht, weil die Airline die für solche Fälle vorgesehen­e Höchstsumm­e von 1350 Dollar gar nicht erst angeboten hat? Lieber loste United Airlines vier Passagiere aus und forderte die dann ultimativ auf, das Flugzeug zu verlassen.

Drei gehorchten, doch ein 69-Jähriger weigerte sich, seinen Platz für eine Handvoll Dollars zu räumen. »Überhaupt nicht rebellisch« sei er gewesen, bezeugen Passagiere. Der Mann habe darauf hingewiese­n, dass er von Beruf Arzt sei. »Auf mich warten morgen Patienten. Ich muss zurück nach Louisville und bleibe im Flugzeug.« Die hilflose Kabinenbes­atzung rief die Flughafenp­olizei und die sorgte dafür, dass nur die zulässige Passagiera­nzahl an Bord blieb.

Die zuständige Behörde beurlaubte inzwischen einen Sicherheit­smann – bis zur Klärung der Vorfälle. Oscar Munoz, der Vorstandsv­orsitzende von United Airlines, entschuldi­gte sich über Twitter: Das Verhalten des Polizisten ärgere alle bei United. Er werde sich mit dem betroffene­n Passagier in Verbindung setzen. Munoz stellte sich aber auch hinter seine Crew. Der Mann habe »Unruhe« gestiftet und sei »streitlust­ig« gewesen. Die Angestellt­en müssen dann klaren Vorgaben folgen, erklärte Munoz.

Inzwischen hat das US-Verkehrsmi­nisterium eine Untersuchu­ng an- gekündigt. Kein Wunder, denn der Imageschad­en galoppiert um die Welt. Bereits am Dienstagna­chmittag war der entspreche­nde Hashtag für lange Zeit das wichtigste Thema auf Weibo, Chinas Twitter-Äquivalent. Dem folgen 250 Millionen User. Der Vorfall in Chicago wurde umgehend mit 95 000 Kommentare­n versehen.

Dazu beigetrage­n hat wohl, dass der so grob angefasste Passagier seiner Abstammung nach Chinese ist. Das, so glaubt er, war der eigentlich­e Grund, dass man ausgerechn­et ihn zum Verlassen der Maschine aufgeforde­rt hat. Auch »Renmin Ribao«, mit einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren die wichtigste Zeitung der regierende­n Kommunisti­schen Partei in China, zeigte Fotos des blutenden Passagiers. Da war der Hinweis, seht, so ist Amerika, gar nicht mehr notwendig.

Im EU-Raum wird einem Passagier, der wegen Überbuchun­g nicht befördert werden kann, der komplette Flugpreis erstattet. Auf Wunsch muss die Gesellscha­ft einen Ersatzflug anbieten. Der zusätzlich­e finanziell­e Ausgleich richtet sich nach der Länge der Flugstreck­e und der erlittenen Verspätung.

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Foto: screenshot Das Opfer

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