Was hat es mit Rehabilitierung der Homosexuellen auf sich?
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Sexuelle Handlungen unter Männern waren in der frühen Bundesrepublik strafbar. Nun will die Bundesregierung homosexuelle Justizopfer, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den beiden deutschen Staaten verurteilt worden waren, rehabilitieren und entschädigen. Das Kabinett beschloss dazu Ende März einen entsprechenden Gesetzentwurf. Er sieht neben der Aufhebung der Urteile, die nach dem früheren Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches (StGB) erfolgt waren, auch finanzielle Leistungen vor.
Seit wann wurden homosexuelle Handlungen in Deutschland bestraft? Homosexuelle Handlungen waren bei der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 mit dem Paragrafen 175 unter Strafe gestellt worden. In der NS-Zeit wurden die Vorschriften noch einmal verschärft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestand der Paragraf in beiden deutschen Staaten fort, wenn auch in unterschiedlichen Versionen.
In der DDR wurde das Gesetz 1968 abgeschafft. Dort galt fortan bis zum Ende der 80er Jahre ein Strafgesetz, das homosexuelle Handlungen mit männlichen und weiblichen Jugendlichen unter Strafe stellte.
1969 und 1973 entschärfte die Bundesrepublik den Paragrafen 175. Seither standen nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter Strafe. Erst 1994 wurde der Paragraf 175 endgültig abgeschafft. In der NS-Zeit ergangene Urteile gegen Homosexuelle wurden 2002 aufgehoben.
Wer ist vom jetzigen Gesetz betroffen?
Aufgehoben werden sämtliche Urteile nach den bis maximal 1994 bestehenden Paragrafen in beiden deutschen Staaten, sofern es nicht um
sexuelle Handlungen mit Kindern ging. Ausgenommen sind auch Verurteilungen wegen Handlungen, die unter Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen und Zwangslagen oder unter Nötigung mit Gewalt oder durch Drohung begangen wurden.
Schätzungen zufolge wurden in der alten Bundesrepublik zwischen 1949 und 1994 etwa 64 000 Männer verurteilt, davon allein 50 000 bis 1969. Für die DDR wird von 4300 Verurteilungen ausgegangen. Die Urteile werden pauschal durch Gesetz aufgehoben, eine Beantragung ist nicht erforderlich.
Welche Entschädigung erhalten die Betroffenen?
Für das jeweilige Urteil werden zunächst 3000 Euro gezahlt, hinzu kommen 1500 Euro pro erlittenem Haftjahr. Der Anspruch kann innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes geltend gemacht werden.
Wie viele Menschen sollen entschädigt werden?
Die meisten der einst verurteilten schwulen Männer sind längst tot, und die noch lebenden sind sehr alt. Das Bundesjustizministerium geht in seinem Gesetzentwurf davon aus, dass höchstens 5000 Betroffene entschädigt werden. AFP/nd