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Ungleichbe­handlung uneheliche­r Kinder in Deutschlan­d

EuGH verurteilt Deutschlan­d erneut wegen Diskrimini­erung im Erbrecht

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Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) Deutschlan­d wegen der Ungleichbe­handlung von unehelich geborenen Kindern im Erbrecht verurteilt.

Das Gericht gab am 23. März 2017 zwei Klägern Recht, die in Deutschlan­d vergeblich durch alle Instanzen – bis hin zum Bundesverf­assungsger­icht – gezogen waren. Die deutsche Justiz hatte ihnen das Recht verweigert, von ihren ledigen Vätern zu erben.

Die deutschen Gerichte bezogen sich auf eine ehemals im Erbrecht verankerte Stichtagsr­egelung: Danach hatten uneheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 – und damit vor Inkrafttre­ten des Grundgeset­zes – geboren wurden, keinen Anspruch auf das Erbe des Vaters.

Die in Köln und Stuttgart lebenden Kläger wurden 1940 und 1943 geboren und fielen unter diese Stichtagsr­egelung. Aufgrund einer ersten Verurteilu­ng durch das Gericht vom 28. Mai 2009 wurde das deutsche Erbrecht zwar geändert: Uneheliche und eheliche Kinder müssen seither gleichgest­ellt werden, falls ihre Väter nach dem 28. Mai 2009 gestorben sind. Für die beiden Kläger änderte diese Gesetzesän­derung allerdings nichts. Denn ihre Väter waren bereits vor diesem Stichtag gestorben. Der EGMR sieht auch in der neuen Stichtagsr­egelung eine Diskrimini­erung und stellte einen Verstoß gegen das Diskrimini­erungsverb­ot sowie gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums fest. Über eine Entschädig­ung der Kläger will der EGMR später entscheide­n.

Erst am 9. Februar hatte der EGMR in einem ähnlichen Fall einer 1940 geborenen Frau aus Bayreuth Recht gegeben. Auch sie blieb in Deutschlan­d vom Er- be des Vaters ausgeschlo­ssen, weil dieser im Januar 2009 verstorben­en war, also wenige Monate vor dem neuen Stichtag. Wie viele unehelich geborene Deutsche heute nach wie vor vom Erbe ihrer Väter ausgeschlo­ssen sind, ist unbekannt.

Das Urteil wurde von einer kleinen Kammer gefällt und ist noch nicht rechtskräf­tig. Die Bundesregi­erung kann dagegen binnen drei Monaten Rechtsmitt­el einlegen. Der EGMR kann den Fall dann an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen, muss dies aber nicht tun. AFP/nd

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