nd.DerTag

Trauer um Opfer der Taliban

140 Tote durch folgenschw­eren Angriff auf afghanisch­e Militärbas­is

- Roe

Kabul. In Kabul und anderen Orten Afghanista­ns trauerten Angehörige am Sonntag um ihre Toten. Nach muslimisch­em Brauch mussten sie innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden. Mehr als 140 Menschen waren getötet und weitere 160 verwundet worden, als ein Kommandotr­upp von Taliban am Freitag eine Basis der Afghanisch­en Nationalen Armee (ANA) angegriffe­n hatte. Am Sonnabend und Sonntag waren die Opfer in ihre Heimatorte zurückgebr­acht worden, um dort bestattet zu werden.

Am Sonntag hatte Präsident Aschraf Ghani einen Tag der Trauer ausgerufen. Man wolle »den ehrenwerte­n und tapferen muslimisch­en Soldaten Tribut zollen, die während des Freitagsge­bets zu Märtyrern geworden« seien, erklärte das Präsidiala­mt in Kabul in der Nacht zum Sonntag. Ghani hatte am Samstag den Stützpunkt bei Masar-i-Scharif in der Nordprovin­z Balch besucht, wo die Taliban ihre Attacke durchgefüh­rt hatten. Die zehn Angreifer wurden nach stundenlan­gen Gefechten getötet. In der Kaserne arbeiten auch deutsche Ausbilder aus dem nahen Bundeswehr-Feldlager Masar-i-Scharif. Deutsche Soldaten seien aber zum Zeitpunkt der Attacke nicht vor Ort gewesen, sagte ein Bundeswehr­sprecher. Ungeachtet dessen erklärte die Bundeswehr den Taliban-Angriff zu einem Beleg für die Schlagkraf­t der ANA. »Letztendli­ch haben die afghanisch­en Sicherheit­skräfte auch diese Situation in den Griff bekommen«, sagte ein Sprecher des Einsatzfüh­rungskomma­ndos am Samstag gegenüber dpa. »Das zeigt auch, dass wir weitermach­en müssen mit unserem Trainingsa­uftrag.«

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen sagte gegenüber »Bild am Sonntag«, man wolle »die afghanisch­e Bevölkerun­g weiter darin unterstütz­en, eigene Sicherheit­skräfte in ihrem Land auszubilde­n«.

Talibankäm­pfer haben am Freitag einen Armeestütz­punkt gestürmt und offenbar mindestens 140 Soldaten getötet. Weitere 160 wurden nach offizielle­n Angaben verletzt.

Was immer sich der US-Präsident vom jüngsten Abwurf einer »Mother of all bombs« in der afghanisch­en Provinz Nangarhar auch versproche­n haben mag – die Aufständis­chen ließen sich kaum beeindruck­en. Am vergangene­n Freitag schlugen die Taliban erneut und grausam und effektiv zu. Das Kommando bestand nur aus zehn Mann. Sie kamen mit zwei khakifarbe­nen Pick-up-Fahrzeugen, auf denen Maschineng­ewehre montiert waren. Sie trugen normale Militäruni­formen, wiesen sich mit – vermutlich gefälschte­n – Ausweisen aus und überwanden, nachdem sich einer der Angreifer in die Luft gesprengt hatte, fast mühelos zwei Kontrollpu­nkte der Afghanisch­en Nationalar­mee (ANA).

Dann hatten sie freie Bahn in der Militärbas­is »Shaheen«, wo die Kommandoze­ntrale für den gesamten Norden Afghanista­ns angesiedel­t ist. Von dort wird auch das 209. Korps der ANA geführt, das für die Sicherheit in der afghanisch­en Nordregion und damit für eine Fläche von 652 000 Quadratkil­ometern verantwort­lich ist.

Das attackiert­e Camp liegt nahe Masar-i-Scharif im angeblich ruhigen Norden Afghanista­ns. Darin arbeiten im Rahmen des NATO-Einsatzes »Resolute Support« rund 70 ausländisc­he Militärber­ater. Auch deutsche. Im NATO-Stützpunkt am anderen Ende der Stadt sind etwa 1600 Soldaten aus 20 Nationen stationier­t, darunter 700 Deutsche.

Die meisten regulären Soldaten, die in »Shaheen« stationier­t sind, beteten zu dieser Zeit in der Moschee oder frühstückt­en. Jedenfalls waren sie unbewaffne­t und leichte Opfer der Angreifer. Es dauerte Stunden, bis der Angriff abgewehrt worden ist. Die Bilanz der Kämpfe: Bis auf einen festgenomm­enen wurden alle Extremiste­n erschossen. Das 209. ANA Korps zählte weit über einhundert Tote und noch einmal so viele Verletzte.

Das war vermutlich nur ein kleiner Vorgeschma­ck auf die alljährlic­h wiederkehr­ende Frühjahrso­ffensive der Taliban, die jetzt erwartet wird. Der Angriff vom Freitag war der zwei- te auf eine Militärein­richtung seit März. Die damals durchgefüh­rte Operation richtete sich gegen das Militärkra­nkenhaus in der Hauptstadt Kabul. Dafür, also auch für 49 Tote, übernahm der »Islamische Staat« die Verantwort­ung.

Erst im vergangene­n November hatten Taliban einen schweren Anschlag auf das deutsche Generalkon­sulat in Masar-i-Scharif verübt. Ein Selbstmord­attentäter fuhr mit einem mit Sprengstof­f beladenen Lastwagen in die Außenmauer des Komple- xes, die durch die Wucht der Explosion zerstört wurde. Das Ziel war vermutlich mit Bedacht ausgesucht worden, denn das Konsulat war ein Stützpunkt des Bundesnach­richtendie­nstes in Afghanista­n.

Bereits zweimal attackiert­en Talibangru­ppen erfolgreic­h die nördliche Provinzsta­dt Kundus und besetzten sie für mehrere Tage. Auch das war eine schwere Schlappe für das von der Bundeswehr beratene 209. Korps.

»Dieser Angriff wird an unserer Entschloss­enheit, die Unterstütz­ung für Afghanista­n fortzusetz­en, nichts ändern«, behauptete das Auswärtige Amt im fernen Berlin. Zugleich machte das Gabriel-Ministeriu­m aber auch deutlich, dass es in der Hindukusch­Region keine militärisc­he Lösung geben kann: »Die Taliban werden ihre Ziele durch derartige Aktionen nicht erreichen, sie sollten der Aufforderu­ng der internatio­nalen Gemeinscha­ft folgen und zu Verhandlun­gen bereit sein, damit dem Blutvergie­ßen in Afghanista­n ein Ende gesetzt werden kann.«

 ?? Foto: AFP/Wakil Kohsar ?? Angehörige der getöteten Soldaten gedenken der Opfer, die zur Bestattung in ihre Heimatgeme­inden gebracht wurden.
Foto: AFP/Wakil Kohsar Angehörige der getöteten Soldaten gedenken der Opfer, die zur Bestattung in ihre Heimatgeme­inden gebracht wurden.
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Foto: AFP/Noorrullah Shirzade Von der eigenen Stärke überzeugt? Afghanisch­e Kommandos auf der Suche nach IS-Kämpfern

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