AfD driftet weiter an rechten Rand
Parteitag bestimmte Spitzenduo für Bundestagswahl / Vor der Tür Protest
Köln. Parteivize Alexander Gauland und die baden-württembergische Spitzenkandidatin Alice Weidel sollen die AfD in den Bundestagswahlkampf führen. Das entschieden die Delegierten des Parteitages am Sonntag in Köln und drängten so Parteichefin Frauke Petry weiter zurück. Gauland gilt als Vertreter der nationalkonservativen Kräfte in der Partei. Weidel gehört der seit 2015 schrumpfenden Strömung der Wirtschaftsliberalen an.
Die Delegierten konnten das Tagungshotel nur unter Polizeischutz erreicht. Sie wurden von Demonstranten mit Sprechchören und Pfiffen empfangen. Demokraten kritisierten den Rechtsaußenkurs der AfD. Die präsentiere sich »als Eldorado für Rechtsextremisten und Antisemiten«, erregte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) betonte: »Rassismus und Fremdenhass beginnen nicht erst mit Gewalttaten und Anschlägen, sondern mit Reden und Propaganda, in Sälen, auf Flugblättern und öffentlichen Plätzen.«
Im Wahlkampf setzt die AfD auf ein Tandem – bestehend aus einer Wirtschaftsliberalen und einem Rechtsnationalen. Parteichefin Frauke Petry musste in Köln eine Schlappe einstecken.
Die AfD hat nun ihren Weg für die nahe Zukunft gewählt: Sie schickt ihren Parteivize Alexander Gauland und die baden-württembergische Ökonomin Alice Weidel als Spitzenduo in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Das beschloss der AfD-Bundesparteitag am Sonntag in Köln mit 67,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Die beiden sollen offensichtlich die Spannbreite der Meinungen in der Partei abdecken.
Der 76-jährige Gauland gilt als wichtigster Strippenzieher der Partei seit 2015. Der ehemalige CDU-Mann, Staatskanzleichef in Hessen und Zeitungsverleger in Potsdam gilt als wichtigster Unterstützer der Rechtsnationalen in der AfD. Die 38-jährige Weidel ist außerhalb ihres badenwürttembergischen Landesverbandes noch nicht sehr bekannt. Die wirtschaftsliberale Ökonomin steht für eine »gesteuerte qualifizierte Zuwanderung« und setzt sich damit von den Rechtsnationalen ihrer Partei ab, die eine »Nettoauswanderung von Nichtdeutschen« für wünschenswert halten. Mit der bisweilen völkischen Rhetorik des Höcke-Flügels hat sie wenig am Hut.
Parteichefin Petry wurde indes durch den Gesamtverlauf des Parteitages in Köln geschwächt. Sie hatte hoch gepokert – und verloren. Als Podium und Saal am Sonntag das neue Spitzenduo feierten, war die Parteivorsitzende, die erst wenige Tage zuvor ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur erklärt hatte, nur eine Randfigur. Ihr Frust zeigte sich auf dem Gesicht der 41-Jährigen, als ihr Widersacher Gauland das Wort an sie richtete. Sie musste mit den Tränen kämpfen. Gauland sagte: »Wir brauchen Sie in der Partei und für den Wahlkampf.« Er wisse, dass Petry am Samstag einen »schweren Tag« gehabt habe.
Tags zuvor, am Samstag, war Petry mit dem Vorhaben gescheitert, auf dem Parteitag eine Kursklärung vorzunehmen. Mit ihrem »Zukunftsantrag« wollte sie die AfD auf einen »realpolitischen Kurs« mit dem Ziel des Mitregierens einschwören. Doch weder Petrys Anträge, noch die ihrer Gegner wurden behandelt.
Zum Auftakt des Kongresses hatte die Parteichefin noch einmal eindringlich dafür geworben, dass sich die AfD auf die von ihr vorgeschlagene Linien festlegen sollte. Es gehe darum, breite Schichten der Bevölkerung zu erobern, die bisher durch das negative Außenbild der Partei abgeschreckt würden. Doch die Kursdebatte wurde am Samstag von den Delegierten abgebügelt und das, obwohl die die Debatten über Petrys »Zukunftsantrag« und die weitere Parteilinie in Hinblick auf die Nominierung von Spitzenkandidaten bereits vor dem AfD-Parteitag virulent geführt worden waren.
Bei ihrer Begrüßungsrede hatte Petry erklärt, sie sei kompromissbereit. Auch sei es nicht ihre Absicht gewesen, Gauland, der im »Zukunftsantrag« als Vertreter einer fundamentaloppositionellen Strategie zitiert wird, zu kränken. Man ha- be sich auch schon getroffen und werde den Antrag abändern. Dazu kam es dann allerdings nicht.
Vorstandsmitglied und jetzige Spitzenkandidatin Weidel sagte unter dem Beifall der Delegierten, die AfD werde sich »nicht den Mund verbieten lassen«. Politische Korrektheit gehöre »auf den Müllhaufen der Geschichte«.
Dass die Stimmung klar gegen Petry ist, wurde spätestens klar, als am Mittag Jörg Meuthen, der sich das Amt des Bundessprechers mit Petry teilt, seine Rede hielt. Sie wurde von den Delegierten begeistert aufgenommen. Meuthen sprach über eine »drohende Überfremdung« und eine »muslimische Mehrheit«, die es in Deutschland gäbe, wenn die AfD diese nicht aufhalten würde. Auch zu Petrys Vorstoß für eine realpolitische Strategie fand Meuthen klare Worte. Seiner Mei- nung nach brauche die AfD diese Debatten nicht, zumal eine Zusammenarbeit mit den jetzt regierenden Parteien für die AfD ausgeschlossen sei. Die Delegierten nahmen Meuthens Ausführungen begeistert auf. Er erntete so viel Applaus wie kein anderer Redner bei dem Parteitag.
Über einen Antrag, der Antirassismus in das Parteiprogramm aufnehmen sollte, wurden ebenso wenig abgestimmt, wie über Petrys »Zukunftsantrag«. Auch der Antrag, des Landesverbandes Bremen, der eine Rücknahme des Parteiausschlussverfahrens gegen Björn Höcke forderte, wurde nicht behandelt.
Der Rest des Samstags verlief ruhig und geordnet. Die Delegierten stimmten über fast 150 Anträge zum Bundestagswahlprogramm der rechtspopulistischen Partei ab. Nur einzelne Themen sorgten für hitzige Debatten, etwa die Positionierung der AfD zum Staat Israel. Hier gingen die Meinungen weit auseinander, ebenso beim Thema »Beschneidungsverbot«. Umstrittene Themen bei der AfD sind auch der Umweltschutz beziehungsweise Klimawandel. Von der Leugnung des Klimawandels bis zu radikal ökologischen Haltungen sind alle Positionen vertreten. In der Regel können sich diejenigen, die ökologische Positionen vertreten, aber nicht durchsetzen. Viele AfD-Mitglieder sehen bei den Grünen sogar den politischen Hauptfeind.
Insgesamt fiel das Wahlprogramm allerdings wenig überraschend aus. Die AfD will einen Ausstieg Deutschlands aus dem Euro. Das Asylrecht soll noch strenger werden, die »ungeregelte Massenimmigration« will die Partei beenden. Migranten sollen dazu verpflichtet werden, sich an die deutsche Kultur anzupassen. Sozialpolitisch bleibt die Partei weiterhin widersprüchlich.
Am Ende der Veranstaltung zeigte sich Petry über den Verlauf enttäuscht. Trotz schwindender Unterstützung will sie ihrer Partei vorerst aber nicht den Rücken kehren. Sie werde ihre Verantwortung als Bundesvorsitzende weiterhin wahrnehmen, betonte sie vor Journalisten. Auf die Frage, ob die AfD noch ihre Partei sei, antwortete Petry: »Ich werde mir bis zum Herbst ansehen, wie sich das weiter entwickelt.«
Die AfD hat am Wochenende in Köln ihre Weichen zur Bundestagswahl gestellt. Das Maritim-Hotel glich einer Trutzburg. Inhaltliche Konflikte vertagten die Delegierten, Zehntausenden Gegendemonstranten gingen sie aus dem Weg. Parteichefin Frauke Petry wurde durch den Gesamtverlauf des Parteitages in Köln geschwächt. Sie hatte hoch gepokert– und verloren.