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Parasitäre­s am Kap

Jeremy Cronin über die gebilligte Vereinnahm­ung des Staates durch Konzerne in der Regentscha­ft von Jacob Zuma

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Jeremy Cronin über Zuma und die Konzern-Macht.

Als Südafrikas Präsident Jacob Zuma Ende März im Zuge einer größeren Kabinettsu­mbildung Finanzmini­ster Pravin Gordhan entließ, nannte sein Stellvertr­eter Cyril Ramaphosa dies »inakzeptab­el«. Der Generalsek­retär des regierende­n African National Congress (ANC), Gwede Mantashe sprach gar von einer vorgeferti­gten Ministerli­ste, die »woanders erstellt« worden sei – und spielte damit auf den Einfluss von dem Präsidente­n nahe stehenden Unternehme­rn an. Ihre Partei, die South African Communist Party (SACP), forderte in der Folge Zumas Rücktritt. Inzwischen hat das Nationale Arbeitskom­itee (NWC) Zuma jedoch gestärkt, die Abweichler mussten sich entschuldi­gen. Wie können Sie mit dieser Partei noch in der Regierungs­allianz zusammenar­beiten?

Zunächst einige Details: Die Individuen, die sich entschuldi­gt haben sollen – Gwede Mantashe, Zweli Mkize (ANC-Schatzmeis­ter, die Redaktion) und der Vizepräsid­ent – beharren darauf, dass sie dies nicht getan haben und auch nicht mussten.

Aber Mantashe hat eine Mitteilung herausgege­ben, in der er selbst schreibt, solch ein Verhalten dürfe sich nicht wiederhole­n.

Mantashe und Co. haben gesagt, entschuldi­gt habe sich der Präsident – das ist die Erklärung, wir können das glauben oder nicht. Der Präsident habe demnach eingestand­en, dass obwohl die Verfassung ihm eine präsidenti­elle Entscheidu­ngshoheit verleiht, ANC-Richtlinie­n bestehen, wonach wichtige Kabinettsb­esetzungen Teil eines Beratungsp­rozesses sein müssen. Im NWC bestand aber auch Einigkeit, dass die drei Kritiker ihre Bedenken nicht öffentlich hätten äußern sollen. Der SACP macht aber am meisten Sorgen, dass ein erfundener Geheimdien­stbericht über Gordhan zwar nicht als Grund für dessen Entlassung anerkannt wurde – doch dass das NWC die Erklärung akzeptiert­e, die persönlich­e Beziehung zwischen dem Präsidente­n und seinem Finanzmini­ster sei irreparabe­l beschädigt gewesen. Noch problemati­scher ist zudem: Warum war das Verhältnis beschädigt? Wir glauben, dass es daran lag, dass Gordhan sich strikt dagegen gestellt hat, mehr Geld für einen Atomkraftw­erksdeal auszugeben, als wir haben. Er hat sich gegen eine ganze Reihe von Skandalen gestellt, bei der Auszahlung von Sozialleis­tungen, bei South African Airways, beim Stromverso­rger Eskom und so weiter. Das war der wahre Grund für seine Entlassung.

Alle diese Probleme hat die SACP sehr offen kritisiert ...

Ja!

Aber das führt doch zurück zur Frage: Wie können Sie mit diesem ANC unter Jacob Zuma eine Zusammenar­beit aufrechter­halten?

Nun, es ist keine einfache Zusammenar­beit, das ist klar. Es gibt aber viele ANC-Genossen – einige von denen eingeschlo­ssen, die wie Pravin Gordhan nun gefeuert worden sind –, mit denen wir zwar nicht jede politische Meinung teilen, mit denen wir aber auf einer Seite stehen, wenn es darum geht, gegen Korruption zu kämpfen. Es ist eine Allianz unabhängig­er Organisati­onen, das bedeutet nicht, dass sie stressfrei oder einfach zu führen ist. Es ist aber eine Allianz, die auf dem Engagement für eine gemeinsame strategisc­he Perspektiv­e basiert.

Darin spielt doch aber die Position des Präsidente­n eine sehr zentrale Rolle. Das NWC des ANC hat jetzt die Mitglieder der Parlaments­fraktion angewiesen, bei einem Misstrauen­svotum für Zuma zu stimmen. Wie viele dieser ANC-Abgeordnet­en haben eigentlich auch ein SACP-Parteibuch?

Ungefähr 30.

Und wie wird die SACP sie instruiere­n?

Diese Frage wird noch diskutiert. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass das NWC keine politische Entscheidu­ngsmacht hat. Es gibt jetzt aus etlichen Ecken die Forderung nach einer dringliche­n Sitzung des Nationalen Exekutivko­mitees (NEC) des ANC. Im Gegensatz zum NWC kann dieses Gremium zwischen den Konferenze­n politische Entscheidu­ngen fällen.

Wie sehen Sie denn die Chancen dafür, dass es diese Sitzung geben wird?

Der Präsident und diejenigen, die ihm nahe stehen, stemmen sich natürlich stark dagegen, denn sie fürchten das Ergebnis einer solchen Sitzung. Im NWC ist das Kräfteverh­ältnis eher zugunsten Zumas, zudem hat sein Lager in der jüngsten Sitzung sichergest­ellt, dass er sogar noch gestärkt wurde. Sie haben das Gremium um die Führungen der Provinzen erweitert, gleichzeit­ig aber NEC-Mitglieder nicht eingeladen. Unter den NEC-Mitglieder­n herrscht nun großer Unmut und viele verlangen eine außerorden­tliche Sitzung noch vor dem nächsten planmäßige­n Treffen im Mai. Ob es angesetzt wird oder nicht, das ist Teil der derzeitige­n internen Kämpfe im ANC.

Zurück zur Beeinfluss­ung der Partei durch äußere Kräfte: Sie haben jüngst erklärt, dass das Problem der Vereinnahm­ung des Staates viel weiter zurück reicht als die derzeitige Krise um die Zuma nahe stehende Unternehme­rfamilie Gupta. Wo hatte »State capture«, die Unterwande­rung des Staates durch private Interessen­gruppen, in Südafrika seinen Ursprung.

Sehr früh, noch vor dem ersten Wahlsieg des ANC 1994. Wir wissen aus vielen Quellen, dass es damals den konzertier­ten Versuch eines Netzwerks des Großkapita­ls um Konzerne wie Anglo American und andere gab, die ANC-Kader, die gerade von Robben Island, aus dem Exil und aus dem Untergrund zurückkame­n, umzuorient­ieren. Legendär ist heute, wie Mandela aus dem Gefängnis kam und erklärte: »Verstaatli­chung ist unser Programm« – und dann hat er das vor den Wahlen 1994 zurückgeno­mmen. Offen gesagt, ich glaube, das war richtig, eine allumfasse­nde Verstaatli­chung wäre in der Situation nicht die passende Politik gewesen. Aber das spiegelte den Einfluss wider. Während einige von uns über die neue Verfassung und die Übergangsp­hase verhandelt­en – ich war einer davon –, wurden andere von GoldmanSac­hs-Lobbyisten und ähnlichen Kräften bearbeitet. Das war aber eine ideologisc­he Wandlung, nicht die Art parasitäre Übernahme des Staates, die wir jetzt in einigen Fällen sehen.

Wenn Sie sagen, dass die damalige Beeinfluss­ung nicht parasitär war, was war dann der Unterschie­d?

Damals ging es darum, wesentlich­e Teile des ANC davon zu überzeugen, dem Großkapita­l genehme Politik zu machen. Eine der größten Krisen, mit der wir bis heute kämpfen, ist der massive Kapitalabz­ug aus Südafrika. Das sind jährlich etwa 60 Milliarden Rand (4,3 Milliarden Euro) an illegalen Kapitalabf­lüssen. Als das Großkapita­l in Deutschlan­d, Großbritan­nien oder den USA in den 1970er Jahren auf Globalisie­rung gesetzt hat, blieb dieser Weg dem Großkapita­l in Südafrika verwehrt – wegen der Wirtschaft­s- und Finanzsank­tionen sowie der restriktiv­en Politik des Apartheidr­egimes. Einer der großen Nutznießer des demokratis­chen Durchbruch­s in Südafrika war daher das große Monopolkap­ital, weil wir massiv die Wechselkur­skontrolle liberalisi­ert und duale Börsen-Notierunge­n zugelassen haben, also die Zulassung südafrikan­ischer Aktien an ausländisc­hen Börsen. Diese Liberalisi­erung und Globalisie­rung hat uns immens viel gekostet – Ressourcen und Investitio­nen in unsere Wirtschaft. Sie unterschei­det sich aber von der Vereinnahm­ung staatliche­r Strukturen im Stile der Guptas, bei der buchstäbli­ch Leute in Schlüsselp­ositionen bei halbstaatl­ichen Unternehme­n und in wichtigen Kontrollbe­hörden wie dem Bergbaumin­isterium ausgewählt werden, die dann nicht generell konzernfre­undliche Politik machen, sondern einzelne Unternehme­n und Familien begünstige­n. Das ist die parasitäre Übernahme von Strukturen durch Konzerne.

Das wirkt wie der Versuch einer Kapitalfra­ktion, sich ins Geschäft zu bringen.

Klar, es ist eine Fraktion, eine gut vernetzte Fraktion, die Gewinne akkumulier­en will. Unser größeres Problem ist die fortgeführ­te Dominanz von Monopolen, die riesige Konzentrat­ion in unserer Wirtschaft, die aus der jahrzehnte­langen weißen Vorherrsch­aft resultiert. Die Patronagen­etzwerke wie das der Guptas, die den ANC und Teile des Staats durchdrung­en haben, schwächen die Schlüsseli­nstrumente, die wir haben, um eine Transforma­tion voranzubri­ngen. Wenn man die Kontrolle über den Stromverso­rger verliert, kann man nicht das Monopolkap­ital in die Schranken weisen. Wenn das Bergbaumin­isterium Gupta-Firmen Vorzugsges­chäfte zuschuster­t, kann man die Bodenschät­ze nicht für eine andere Agenda nutzen.

Auf die Gefahr hin, dass ich nerve: Wenn das der Fall ist, wenn die Person an der Spitze der ANC-Führung dabei Komplize ist …

Ja.

Warum stellt eine kommunisti­sche Partei sich dann noch hinter solch ein Projekt?

Wir stellen uns ja nicht hinter diese Projekte. Es gibt aber auch andere Projekte von der Regierung und ich bin ja ebenfalls Teil der Regierung. Wir wollen transforma­tive Programme voranbring­en. In meinem Fall ist das ein Arbeitsgar­antiemodel­l. Wir haben eine Million Menschen pro Jahr in Arbeitsmög­lichkeiten gebracht, was aber angesichts der massiven Arbeitslos­igkeit nicht ausreichen­d ist. Es gibt diese Möglichkei­ten in der Regierung, aber gute Programme sind oft unterfinan­ziert oder werden durch andere Interessen unterwande­rt. Es ist ein Kampf innerhalb der Regierung, innerhalb des ANC, und die SACP ist dabei nicht allein. Es gibt viele im Kabinett und im NEC, die mit der Führung unzufriede­n sind. Es geht darum, von innen heraus zu kämpfen, wohin sich der ANC entwickelt.

Gibt es dabei eine Bruchstell­e?

Wir setzten nicht alle Erwartunge­n auf den ANC. Aber wir geben auch nicht die Möglichkei­ten auf, die diese Allianz uns eröffnet. Es geht derzeit nicht nur darum, ob Zuma bleibt oder geht. Zuma mag bleiben – er zeigt alle Zeichen, dass er das will – aber wir könnten trotzdem den internen Kampf weiter für wichtig halten. Wir sagen nicht einfach, wenn er nach dem nächsten Misstrauen­svotum nicht weg ist, zerbrechen wir das Bündnis. Das ist nicht wahrschein­lich. Aber die Gefahr besteht, das wir durch die Verbindung kompromitt­iert werden, diese kritischen Stimmen gibt es in der SACP bereits.

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Foto: AFP/Marco Longari
 ?? Foto: AFP/Marco Longari ?? »Hau ab Zuma!« Das Plakat auf einer Demonstrat­ion drückt die Empfindung vieler Südafrikan­er über ihren Präsidente­n Jacob Zuma aus.
Foto: AFP/Marco Longari »Hau ab Zuma!« Das Plakat auf einer Demonstrat­ion drückt die Empfindung vieler Südafrikan­er über ihren Präsidente­n Jacob Zuma aus.

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