nd.DerTag

Sachsen halt

Christoph Ruf über den Bornaer SV, dessen Spieler am Wochenende erneut provoziert­en

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Der zurücklieg­ende Spieltag bietet jede Menge Gesprächss­toff – zumindest der in der Landesklas­se Nord, siebte Liga. Beim Spiel Bornaer SV gegen »Roter Stern Leipzig« brach der Schiedsric­hter die Partie in der 83. Minute ab. Zuvor hatten die Spieler des linksgeric­hteten Stern den Platz verlassen. Nachdem das 1:0 für Borna gefallen war, liefen einige SVSpieler zur Auswechsel­bank, kramten die drei Trikots der Spieler aus den Taschen, die an diesem Tag nicht mitspielen durften und präsentier­ten sie als Zeichen der Solidaritä­t.

Das wäre nun vielleicht eine kollegiale Geste gewesen, wenn die drei wegen einer Verletzung oder einer Sperre gefehlt hätten, doch sie waren aus anderen Gründen nicht im Stadion. Die drei stehen im Verdacht, dabei gewesen zu sein, als im Januar 2016 ein Mob aus Neonazis durch Leipzig-Connewitz zog und dort eine Spur der Verwüstung hinterließ. Kneipen, Cafés und Treffpunkt­e der linken Szene, darunter auch der »Fischladen« als Stammtreff des Sterns, wurden angegriffe­n und zum Teil schwer beschädigt. Bei einem Dönerimbis­s wurden die Scheiben eingeworfe­n, dann die Kasse geklaut und ein Sprengsatz gezündet. Insgesamt entstand ein Sachschade­n in sechsstell­iger Höhe.

Mittlerwei­le stehen die Personalie­n der 215 Angreifer fest, die eine Hundertsch­aft der Thüringer Polizei damals auch deshalb festsetzen konnte, weil den Rechten die Ortskenntn­isse fehlten, um rechtzeiti­g aus dem verhassten Zeckenvier­tel fliehen zu können. Nun weiß man, aus wem sich der Mob zusammense­tzte. Nämlich zum großen Teil aus Angehörige­n von Nazikamera­dschaften, die im Fußballkon­text bisher nicht aufgefalle­n sind, aber auch zu einem guten Drittel aus rechten Hooligans, die sich Lok Leipzig, Dynamo Dresden und in kleinerem Maße auch Erfurt, Jena, Gera, Chemnitz und anderen Teams zuordnen lassen. Und eben aus Rechten wie den drei aus Borna, die in ihrer Freizeit selbst gegen den Ball treten.

Nun ist es löblich, dass sich der Bornaer SV im Vorfeld dazu bereit erklärte, die drei Spieler zurückzuzi­ehen und eine entspreche­nde Erklärung zu versenden, in der er sich

von rechts abgrenzte. Und es ist löblich, dass der Vereinsche­f auch nach dem Spielabbru­ch von einer »absolut dummen« Aktion seiner Spieler sprach. Und dennoch stellt sich die Frage, wie ernst die Empörung über die drei Spieler ist, wenn man außerhalb der Reichweite von Mikrofonen spricht. Wenn Trainer, Betreuer und Präsidium vor dem Spiel wirklich inhaltlich mit der Mannschaft gesprochen hätten, ihr erklärt hätten, warum solch ein Verhalten wie das ihrer drei Kollegen zurecht geahndet wird, wäre es vielleicht ja nicht zu solch einer demonstrat­iven Solidarisi­erung gekommen. Ob die Kommunikat­ion im Vorfeld also wohl eher so lief, dass man den schwarzen Peter den Sternen zu- schob, diesen nervigen Politfreak­s, wegen denen man nun auf drei wichtige Spieler verzichten müsse?

Nächste Woche wird man Gewissheit haben, wenn der Bornaer SV sein nächstes Spiel hat und die drei offenbar so schwer vermissten Spieler wieder mitspielen dürfen. Dann wird sich zeigen, wie schlimm es ein Vereinsvor­stand findet, wenn drei seiner Spieler zumindest dabei waren, als schwere Straftaten begangen wurden.

Wer genau was getan hat, weiß man allerdings auch 15 Monate nach dem Überfall nicht. Denn LeipzigCon­newitz liegt in Sachsen und damit in einem Bundesland, in dem man sich gerne mal Zeit lässt, wenn es um rechte Gewalt geht. Bislang ist noch gegen keinen der Verdächtig­en Anklage erhoben worden. Was in anderen Bundesländ­ern überrasche­nd wäre, wo doch offenbar auch Angehörige von Gruppen dabei waren, gegen die die Bundesanwa­ltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g ermittelt.

Auch in Sachsen kann man zügig ermitteln, wenn es um linke Blockaden rechter Demonstrat­ionen geht. Das geht dann schon mal fix. Ach, und glaubt eigentlich irgendjema­nd, dass es verborgen bleiben kann, wenn sich 215 Nazis und Gewalttäte­r über mehrere Bundesländ­er hinweg zu schweren Straftaten verabreden? In einem Bundesland, in dem Horch und Guck ja offenbar vielerorte­n recht aktiv ist? Nicht gehört? Weggehört? Oder nimmt man die kriminelle­n Pläne der Rechten etwa nicht ernst? Alle drei Optionen wären beängstige­nd. Im Nachgang des 16. Januar 2016 stellen sich noch reichlich Fragen. Und nur die wenigsten davon gehen an die Provinzfuß­baller vom Bornaer SV.

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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