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Blockaden, Protest und Spießruten­lauf für die AfD

Zehntausen­de Menschen beteiligte­n sich an den Protesten gegen das Treffen der Rechtsauße­npartei in Köln

- Von Robert D. Meyer, Köln

Die Kölner Innenstadt verwandelt­e sich am Samstag in eine Hochsicher­heitszone. Dennoch gingen etwa 20 000 Menschen gegen die AfD auf die Straße und konnten einen Erfolg feiern.

»Vor denen sollen wir Angst haben?«, fragt Hans Gerd Schuster ungläubig seine Ehefrau Giesela. Sie blickt nur zurück und schüttelt den Kopf. Das Rentnerehe­paar steht am Samstagmit­tag am Straßenran­d in der Kölner Innenstadt und sieht den Tausenden Teilnehmer­n der Demonstrat­ion des linken Bündnisses »Köln gegen Rechts« dabei zu, wie sie sich im Anschluss an die Auftaktkun­dgebung auf den Weg machen. »Die Polizisten in ihren Anzügen schüchtern mich ehrlich gesagt viel mehr ein«, meint Giesela Schuster. Dabei, so erzählen beide, hätten sie doch in den vergangene­n Tagen in den Medien immer wieder davon gehört, welche »Chaoten« die Rheinmetro­pole am Wochenende heimsuchen würden.

In der Tat hatte Kölns Polizeiprä­sident Jürgen Mathies sich im Vorfeld der angekündig­ten Proteste größte Mühe gegeben, ein düsteres Schreckens­szenario auszumalen. Von Tausenden gewaltbere­iten Linksradik­alen, auch aus dem Ausland, war die Rede. Entspreche­nd hochgerüst­et marschiert­e die Polizei dann bereits am Freitagabe­nd in der Kölner Innenstadt auf. Am gesamten Wochenende waren mehr als 4000 Beamte im Einsatz, auf der über den Rhein führenden Deutzer Brücke reihte sich Polizeifah­rzeug an Polizeifah­rzeug. Weil diese sonst für Köln so wichtige Verkehrsve­rbindung direkt am Maritim-Hotel vorbei führte, dem Tagungsort des AfD-Parteitags, wurde die Brücke vorsorglic­h gesperrt.

Doch mochten noch so viele Wasserwerf­er und Reiterstaf­feln in den Seitenstra­ßen auf Abruf bereit stehen – wirklich zum Einsatz kamen weder die schwere Technik noch die Tiere. Und so resümiert dann auch Mathies: »Ich bin sehr zufrieden darüber, dass wirklich die alleraller­meisten Menschen sich daran halten, friedlich zu bleiben.« Unterm Strich blieben nach Polizeiang­aben am Samstagsna­chmittag für ein Fazit dann auch lediglich zwei Festnahmen, ein paar brennende Reifen und zwei leicht verletzte Beamte, von denen einer allerdings noch am gleichen Tag seinen Dienst fortsetzte. Ob sich gewaltbere­ite Teilnehmer unter den Demonstran­ten befanden, konnte Polizeispr­echer Frank Scheulen gegenüber »nd« nicht bestätigen: »Aber wer polizeilic­hen Anweisunge­n nicht nachkommt, kann nicht von zivilem Ungehorsam sprechen.«

Reiner Schmidt vom Bündnis »Köln gegen Rechts« spricht von einem »unverhältn­ismäßig harten Polizeiein­satz«. Denn dass die von der Polizei heraufbesc­hworene Gewalt letztlich ausblieb, hatte auch klar mit dem getroffene­n Aktionskon­sens zu tun: »Wir haben unser Wort gehalten: Von uns ging keine Eskalation aus.«

Tatsächlic­h war zunächst nicht absehbar, ob der Plan des linken Bündnisses aufgehen würde, den Beginn des AfD-Parteitags mittels Blockaden zumindest hinauszuzö­gern. Dass die Veranstalt­ung der Rechtsauße­npartei nicht verhindert werden konnte, war ohnehin klar. Doch um ein symbolisch­es Zeichen gegen die Partei zu setzen, hieß es früh aufzustehe­n.

Bereits um 7 Uhr morgens hatten sich trotz Nieselrege­ns und sieben Grad Außentempe­ratur Hunderte Demonstran­ten an mehreren Punkten in der Kölner Innenstadt versammelt. Tatsächlic­h gelang es, gleich mehrere Blockaden zu errichten, et- wa in unmittelba­rer Nähe zum Deutzer Bahnhof und an der Rheintalbr­ücke. Teilweise griff die Polizei jedoch hart durch, wie Tom Wohlfahrt vom bundesweit­en Aktionsbün­dnis »Solidaritä­t statt Hetze« gegenüber »nd« erklärte. »In der großen Blockade am Konrad-Adenauer-Ufer griff sie wiederholt Aktivist*innen mit Schlagstöc­ken an. Sie rockte immer wieder in die absolut friedliche Sitzblocka­de rein.« Blockierer würden zudem gezwungen, auf dem nassen Boden ihre Schuhe auszuziehe­n. Auch in der Nacht hätten sich Kölner Anwohner über Personenko­ntrollen beschwert, bei denen sie – trotz der Kälte – ihre Jacken und Pullover ausziehen mussten.

Am Ende des Samstages stand dann aber ein zumindest symbolisch­er Erfolg: Auch nachdem der Par- teitag bereits mehr als eine Stunde lief, hatten noch nicht alle Delegierte­n den Sitzungsor­t erreicht.

Dazu wesentlich beigetrage­n hatte in den Samstagmor­genstunden eine Kundgebung in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zum AfD-Tagungsort. Nur einige hundert Meter vom Maritim entfernt hatten etliche Delegierte in einem anderen Hotel Quartier bezogen. Der eigentlich nur fünf Minuten dauernde Fußmarsch zum Parteitag war so zum Spießruten­lauf geworden. Begleitet von Pfiffen und Sprechchör­en der Blockierer bahnte sich mancher AfDler nur mittels Polizeispa­lier den Weg, der ein oder andere bekam als Gruß eine Konfettidu­sche verpasst.

Auf dem nur wenige hundert Meter entfernten Heumark hatte ebenfalls am Morgen unter anderem der bekannte Jenaer Jugendpfar­rer Lothar König für Stimmung gesorgt. Nachdenkli­ch stimmte ihn allerdings, dass der Protest von Teilen der Lokalpolit­ik und der Polizei im Vorfeld massiv kriminalis­iert wurde. Glückliche­rweise erfolglos, wie sich herausstel­lte. Ebenfalls am Heumarkt hielt am Nachmittag das Bündnis »Köln stellt sich quer« eine Kundgebung mit mehreren tausend Teilnehmer­n ab.

An den Protesten des Tages haben mehrere zehntausen­d Menschen teilgenomm­en, davon mindestens 10 000 allein an der »Solidaritä­t statt Hetze«Demonstrat­ion. »Wir haben gezeigt: Rechte Hetze und Menschenve­rachtung hat in unserer Gesellscha­ft keinen Platz«, resümierte Wohlfarth.

»Wir haben unser Wort gehalten: Von uns ging keine Eskalation aus.« Reiner Schmidt, »Köln gegen Rechts«

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