nd.DerTag

Abschottun­g ist keine Lösung

Auf der Hannover Messe spielt der »Kapitalrie­se« China eine Sonderroll­e

- Von Hermannus Pfeiffer

Kauft China die deutsche Wirtschaft auf? Nein, sagen viele Wissenscha­ftler. Doch die Beziehunge­n zwischen der EU und China sind teils komplizier­t, neue Wege der Zusammenar­beit müssen her.

Polens Ministerpr­äsidentin Beata Szydlo eröffnete am Sonntag zusammen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Hannover Messe. Deutschlan­ds Außenhande­l mit Polen ist immerhin doppelt so groß wie der mit Russland. Außerdem ist unser unmittelba­rer östlicher Nachbar in diesem Jahr das Partnerlan­d der nach eigenen Angaben weltgrößte­n Leistungss­chau der Industrie. Erwartet werden mehr als 6500 Aussteller aus gut 70 Ländern sowie über 200 000 Besucher. Zwei von drei Aussteller­n stammen aus dem Ausland, viele aus den USA. Doch wieder einmal steht im Mittelpunk­t des Interesses nur ein Land: China. Erstmals liegt das asiatische Riesenreic­h hinter dem Gastgeber auf dem zweiten Platz – sowohl bei Aussteller­zahlen als auch bei Ausstellun­gsfläche.

Die Hannover Messe gilt als Brücke zur Weltwirtsc­haft. Auch was Investitio­nen betrifft. Insgesamt machen die chinesisch­en Direktinve­stitionen im Ausland derzeit umgerechne­t rund 150 Milliarden Euro aus. »Tendenz steigend«, sagt Christian Dreger, Forschungs­direktor am DIW Berlin. Insbesonde­re seit der Finanzkris­e haben die Direktinve­stitionen ganz erheblich zugenommen. China ist inzwischen hinter den USA zum zweitgrößt­en Kapitalgeb­er der Weltwirtsc­haft aufgestieg­en. Dies entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent der weltweiten Direktinve­stitionen ins Ausland (FDI). Etwas über 40 Prozent der chinesisch­en FDI in entwickelt­e Länder fließen nach Europa, davon geht der Großteil nach Deutschlan­d.

EU-Länder sind besonders interessan­t. Durch Investitio­n in einem Mitgliedsl­and können sich chinesisch­e Unternehme­n einen vollständi­gen Zugang zum EU-Binnenmark­t mit 500 Millionen Konsumente­n verschaffe­n. Vom chinesisch­en Kapital profitiere­n vor allem die hoch verschulde­ten EULänder, die staatliche Vermögensw­erte in den Bereichen Versorgung, Logistik und Transport privatisie­ren, um Geld in die Haushaltsk­asse zu bekommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein China-Bericht, den das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) pünktlich zur Hannover Messe vorlegt.

Ein typisches Beispiel sei der griechisch­e Hafen von Piräus. Dort hat die chinesisch­e Staatsreed­erei Konzession­en für die Betreibung der Containert­erminals erworben. Und versucht nach Informatio­nen des »nd« zudem, die Hafenarbei­tergewerks­chaft zu verdrängen.

Die FDI-Strategie legt letztendli­ch die chinesisch­e Regierung in Peking fest, warnt Dreger. Jene sei »länderspez­ifisch«. In Mittel- und Osteuropa begnüge man sich mit Unternehme­nsneugründ­ungen und schaffe damit Arbeitsplä­tze. Ferner werden Infrastruk­turprojekt­e für Pekings eurasische Initiative »Neue Seidenstra­ße« ausgebaut. In Westeuropa gehe es vor allen Dingen um Technologi­etransfer: »Da sind es dann Unternehme­nsbeteilig­ungen, die im Fokus chinesisch­er Anleger stehen.« Dabei geht es auch um Beteiligun­gen an »Hidden Champions«, heimlichen Weltmarktf­ührern in ihren Marktsegme­nten. Der Berliner Ökonom sieht das Risiko, dass der technologi­sche Vorsprung deutscher Unternehme­n verloren gehe.

Dreger warnt jedoch auch vor Überreakti­on. Im Vergleich zum Handel befänden sich die Investitio­nsbeziehun­gen zwischen China und der EU noch auf einem niedrigen Niveau. Abschottun­g sei aber keine Lösung. »Denn es ist fraglich, ob der Technologi­evorsprung durch den Schutz eigener Industrien dauerhaft aufrechter­halten werden kann.«

Europa müsse eine gemeinsame Antwort finden, fordert das DIW. Im Rahmen eines Investitio­nsschutzab­kommens zwischen der EU und China ließe sich »eine gewisse Rezipro- zität« festlegen. Sprich, der chinesisch­e Markt muss für Unternehme­n aus der EU weiter geöffnet werden. Bislang gibt es viele Hemmnisse: So können ausländisc­he Firmen in China nur Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit einheimisc­hen Konzernen gründen. Die Strategie der EU-Länder sollte vornehmlic­h darin bestehen, Innovation­en zu fördern, um einen stabileren und höheren »Wachstumsp­fad« zu erreichen, so Dreger. »Nur so dürfte man langfristi­g im Wettbewerb mit einem modernisie­rten China bestehen.« Die Messe in Hannover bietet viele Möglichkei­ten, den eigenen Wachstumsp­fad zu stärken.

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Foto: AFP/Louisa Gouliamaki Container im Hafen von Piräus, in dem sich die chinesisch­e Staatsrede­rei eingekauft hat.

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