Brexit vertreibt Akademiker
An britischen Universitäten könnte sich der EU-Austritt bald deutlich bemerkbar machen
Britische Akademiker sind pessimistisch. Sie fürchten, dass wegen des Brexits Forschungsgelder ausbleiben und Fachleute auswandern. Zudem will die Regierung die Zahl internationaler Studenten senken.
Der Austritt aus der Europäischen Union könnte die britischen Universitäten teuer zu stehen kommen. Das zumindest befürchten zahlreiche Akademiker, Rektoren und Studenten im In- und Ausland. Seit dem EUReferendum im vergangenen Juni werden Warnungen laut, dass infolge des Brexit-Votums weniger akademische Fachleute nach Großbritannien kommen werden, dass ausländische Studenten ausbleiben, und dass weniger Geld für Forschung zur Verfügung stehen wird.
Alistair Fitt, Rektor der Oxford Brookes University, sagte, dass der Brexit »wahrscheinlich das größte Desaster für den Universitätssektor seit vielen Jahren sein wird«. Knapp zehn Monate nach dem Referendum sind noch keine konkreten Folgen spürbar, dennoch gibt es Hinweise, dass solche Befürchtungen berechtigt sind.
Laut einer Umfrage der Gewerkschaft University and College Union (UCU) ist die Zahl der ausländischen Akademiker, die einen Wegzug aus Großbritannien erwägen, seit vergangenem Juni stark gestiegen; rund ein Drittel der Befragten gab an, Kollegen zu kennen, die eine Abreise bereits ins Auge gefasst hätten. Insgesamt stammen 16 Prozent der Wissenschaftler an britischen Universitäten aus einem EU-Land.
Auch ist unklar, was mit den von der EU zur Verfügung gestellten Forschungsgeldern passieren wird: Britische Unis erhalten von Brüssel rund eine Milliarde Pfund pro Jahr, was rund ein Viertel der Gesamtsumme für die Forschung ausmacht (1,18 Milliarden Euro). Zudem weiß bislang niemand, ob Großbritannien nach dem EU-Ausstieg Mitglied im Europäischen Forschungsraum (EFR) bleibt, der die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Universitäten fördert.
Schottland erhält rund zwölf Prozent der britischen EFR-Gelder, und laut Anton Muscatelli, Rektor der Universität Glasgow, würde ein Ausscheiden aus dem Forschungsraum nicht nur finanzielle Konsequenzen haben, sondern auch die Attraktivität der schottischen Unis schmälern: Mehrere ausländische Professoren, denen Muscatelli in den vergangenen Monaten eine Stelle angeboten hatte, wollten sich aufgrund der Unsicherheit bezüglich des EFR vorerst nicht verpflichten, sagte er gegenüber der Tageszeitung »Guardian«.
Ein weiteres Problem ist die Einwanderung: Premierministerin Theresa May will ausländische Studenten zur Gesamtzahl der Einwanderer hinzuzählen – die starke Beschränkung der Immigration, auf die es die Regierung abgesehen hat, wird folglich auch die Zahl der Studenten reduzie- ren. Schon das Brexit-Votum hat britische Universitäten im Ausland anscheinend unbeliebter gemacht: Im vergangenen Jahr begannen 134 000 Ausländer ein Studium in Großbritannien, 41 000 weniger als im Vorjahr, und so wenige wie zuletzt im Jahr 2002. Universities UK, der Dachverband britischer Universitäten, zeigt sich besorgt über diesen Rückgang; er forderte vergangene Woche eine Einwanderungspolitik, die Großbritannien weiterhin attraktiv macht für internationale Studenten.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage gab der Verband damit die Wünsche der britischen Bevölkerung wieder: Knapp die Hälfte der Befragten würde es befürworten, wenn die Zahl ausländischer Studenten beibehalten würde – und ein Viertel will sie sogar erhöhen. Ausschlaggebend ist nicht zuletzt deren Beitrag zur britischen Wirtschaft, der sich gemäß einer Studie des Forschungsinstituts Oxford Economics auf 26 Milliarden Pfund pro Jahr beläuft.