nd.DerTag

Massives Polizeiauf­gebot eskortiert­e Kiezdemo

Rund 1500 Menschen forderten den Erhalt bedrohter linker Projekte und wandten sich gegen Immobilien­investoren

- Von Tim Zülch

Im Vorfeld wurde die »Interkiezi­onale Demonstrat­ion« am Samstagabe­nd als Warmlaufen für den 1. Mai bezeichnet. Es blieb allerdings weitgehend friedlich. Die Polizei bildete ein Spalier.

Markiges Auftreten, radikale Slogans und ein massives Polizeiauf­gebot: Von Friedrichs­hain über Kreuzberg nach Neukölln marschiert­en am Samstagabe­nd rund 1500 Menschen und forderten den Erhalt bedrohter linker Projekte. Unter anderem wendeten sie sich gegen das Vorhaben der CG-Gruppe in der Rigaer Straße 7173, die dort mit dem »Carré Sama-Riga« auf rund 5000 Quadratmet­ern einen Wohn- und Gewerbekom­plex errichten will (»nd« berichtete).

Als bunte Kiezdemo angekündig­t, war die Demonstrat­ion jedoch dominiert von Menschen in schwarzen Regenjacke­n, die im vorderen Teil der Demo aus Transparen­ten einen Block gebildet hatten. Gleich zu Beginn zündeten die Demonstrie­renden mehrere Böller und Feuerwerks­raketen, wodurch nach Angaben der Polizei zwei Beamte leicht verletzt wurden.

In Lautsprech­erdurchsag­en während der Demo beklagten die Protestier­enden, dass die Menschlich­keit und Vielfalt in den Kiezen den Bach runterging­en. In den Seelen der Menschen gäbe es eine Brutalisie­rung und Verflachun­g, wodurch viele nur noch in Angst verharrten. Dieser »Gesamtwahn­sinn« gehe wie eine Planierrau­pe durch die Stadt. Wogegen der Wunsch nach der Zerstörung der Ordnung bei vielen weiter wachse. In Sprechchör­en forderten die Demonstrie­renden »Bullenschw­eine raus aus der Rigaer!«. Mit »A-AntiAntika­pitalista« machten sie auf die Proteste gegen den bevorstehe­nden G20-Gipfel aufmerksam.

Die Polizei begleitete die Demonstrat­ion von Anfang an mit einem Spalier aus behelmten Kräften und mehreren Reihen Bereitscha­ftspolizis­ten vor dem Fronttrans­parent, das dadurch für Außenstehe­nde fast nicht zu erkennen war. In den Seitenstra­ßen postierten sich Eingreifun­d Festnahmet­rupps der Polizei. Immer wieder gab es Rangeleien zwischen Polizisten und der ersten Reihe der Demo.

Mehrere linke Projekte in Friedrichs­hain begrüßten die Ankunft der Demo mit Feuerwerk, Böllern und geschwenkt­en Fahnen. Von Friedrichs­hain aus führte die Route über die Oberbaumbr­ücke und den Görlitzer Park an den von der Räumung bedrohten Projekträu­men in der Friedelstr­aße 54 vorbei und endete am Hermannpla­tz. Bei kaltem Nieselrege­n hielten allerdings nur wenige hundert Demonstrie­rende bis zur Abschlussk­undgebung durch.

Die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Kerstin Philipp, sagte, dass die Demo trotz der verletzten Beamten »das Vorbild für den 1. Mai« sein sollte. Allerdings dürfe man nicht vergessen, »dass wieder eine enge Begleitung nötig war, um die Lage zu beruhigen und Eskalation zu verhindern«.

Seit Monaten machen vor allem Bewohnerin­nen und Bewohner des Friedrichs­hainer Nordkiezes mobil gegen das »Carré Sama-Riga«. Das Bauvorhabe­n führe zu einer Verdrängun­g von Kleingewer­be, die Wohnungen könnten sich mit rund 12 bis 13 Euro pro Quadratmet­er viele Leute aus dem Kiez nicht mehr leisten, so ihre Kritik. Im Demoaufruf schreiben Bewohner der »Rigaer 94«: »Uns geht es nicht darum, dass sich unser Wohnumfeld nicht verändern darf, die Frage ist immer, wie und auf wessen Kosten. Das, was hier vollzogen wird, nennen wir Zerstörung.«

Dem Kiezladen »Friedel 54« in Nord-Neukölln hatte die Eigentüme- rin Pinehill zu Ende März gekündigt. Der Kiezladen bietet seit vielen Jahren ein offenes Angebot für und von Nachbarinn­en und Nachbarn mit Mietrechts­beratung, Veranstalt­un- gen, Bar, Umsonstlad­en und Siebdruckw­erkstatt. Seit der Kündigung wehren sich die Nutzerinne­n und Nutzer des Ladens mit vielfältig­en Aktionen gegen eine Räumung.

»Uns geht es nicht darum, dass sich unser Wohnumfeld nicht verändern darf, die Frage ist immer wie und auf wessen Kosten. Das was hier vollzogen wird, nennen wir Zerstörung.« Demoaufruf der »Rigaer 94«

Newspapers in German

Newspapers from Germany