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Ältestes sorbisches Literaturz­eugnis

- Von Andreas Fritsche

Es sind bloß elf Worte. Es ist nur ein einziger Satz: »Ach moyo luba lupka, biß weßola thy sy, my luba.« (Ach meine liebe Liebste, sei fröhlich, du bist mir lieb.) Es ist eine kleine Sensation. Denn der hingekritz­elte niedersorb­ische Satz steht in einer 1510 abgeschlos­senen Handschrif­t mit antiken Stoffen, am Rande von Versen aus der Verwechslu­ngskomödie »Das Mädchen von Andros«, verfasst von dem griechisch­en Dichter Terenz.

Damit ist der Satz wohl rund 40 Jahre älter als die ältesten bislang bekannten sorbischen Schrift- und Literaturz­eugnisse – der Bautzener »Bürger Eyd Wendisch« und die Übersetzun­g des Neuen Testaments durch Mikławš Jakubica, die aus der Mitte des 16. Jahrhunder­ts stammen. Der spektakulä­re Fund stammt aus der Bibliothek des Dominikane­rklosters in Luckau, wurde im Pfarramt Jauernick aufbewahrt und bei einem Forschungs­projekt zu alten Handschrif­ten gemacht. Matthias Eifler und Winfried Töpler erzählen diese Geschichte in dem dicken Sammelband »Die Bettelorde­n in den beiden Lausitzen«. Gemeint sind hier die Oberlausit­z und die Niederlaus­itz, Heimat der Ober- und Niedersorb­en.

Anders als beispielsw­eise die Zisterzien­ser, die ihre Klöster an abgelegene­n Punkten gründeten und Land urbar machten, ließen sich Bettelorde­n wie die Franziskan­er und die Dominikane­r in Städten nieder, wo sie bettelten. Sie sind dabei keineswegs arm geblieben, wie es die strenge Ordensrege­l nach dem Vorbild des Bruders Franz von Assisi (1181/82-1226) verlangt hätte. Sie häuften in der Lausitz durchaus auch Kunstschät­ze und Kulturgüte­r an, besaßen beispielsw­eise wertvolle Bibliothek­en, die dem Studium fähiger Mönche dienten.

Auch sind die Klöster nicht automatisc­h in die Stadtmitte gezogen, sondern sie sind innerhalb der Stadtmauer­n dahin gegangen, wo sie ein Grundstück geschenkt bekamen. Unter Umständen war das am Stadtrand und die Klostermau­ern wurden in die Befestigun­gsanlagen einbezogen.

Das Buch »Die Bettelorde­n in beiden Lausitzen« versammelt 17 Aufsätze, entstanden durch Bearbeitun­g von Vorträgen, die bei einer gleichnami­gen Tagung 2012 in Luckau gehalten worden sind. Die einzelnen Abschnitte behandeln unter anderem das Franziskan­erkloster in Cottbus, die Reste mittelalte­rlicher Wandmalere­ien

»Ach moyo luba lupka, biß weßola thy sy, my luba.« Unbekannte­r Mönch

in der St. Annenkirch­e zu Kamenz und die Auflösung des Zittauer Franziskan­erklosters während der Reformatio­n.

Die Mönche bettelten nicht nur, sie widmeten sich auch der Seelsorge und gerieten damit in Konflikte mit den Pastoren, die dies als ihre alleinige Domäne betrachtet­en. Als Arzt betätigte sich der Görlitzer Franziskan­er Vinzenz Eysack, ein Absolvent der Universitä­t Leipzig. Seine – wenn man sie an den damaligen Verhältnis­sen misst – großartige­n Heilerfolg­e sprachen sich herum. Fürsten und andere Edelleute aus ganz Böhmen bestürmten den Stadtrat mit Bitten, den Arzt zu ihnen zu senden. Etliche Schreiben dieser Art haben sich erhalten und ermöglicht­en es nun, den Werdegang des Vinzenz Eysack grob nachzuzeic­hnen.

Annegret Gehrmann, Dirk Schumann und Marius Winzeler (Hrsg.): »Die Bettelorde­n in den beiden Lausitzen. Geschichte – Architektu­r – Kunst«, Lukas Verlag, 448 Seiten, 36 Euro

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