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Straßenuni für Bremer Wohnungslo­se

Bildungsan­gebot umfasst Hundegesun­dheit und Besuch im Weserstadi­on

- Von Alice Bachmann, Bremen

Mit Vorträgen über Hundegesun­dheit und integrativ­e Sportproje­kte startete die Bremer »Uni der Straße« in die dritte Runde. Der Zusatz im Namen: »Für alle. Ohne Grenzen.« weist auf die Absicht dieses kostenlose­n Angebots an Obdach- und Wohnungslo­se hin. Es handelt sich um einen niederschw­elligen Versuch, Menschen, die am äußersten Rand der Gesellscha­ft leben, Bildung anzubieten. Die von April bis Juli laufenden Veranstalt­ungen sind dieses Mal den Feldern »Mensch und Hund«, Politik, Streetart, »Vielfalt« und »Sonstiges« zugeordnet.

In Bremen, das auch als »Stadt der kurzen Wege« bezeichnet wird, gibt es eine große und gut vernetzte Szene weltlicher, religiöser sowie autonomer Hilfs- und Unterstütz­ungseinric­htungen, von Vereinen und Initiative­n, in die die »Uni der Straße« eingebunde­n ist. Daraus entsteht eine frische Veranstalt­ungsmischu­ng aus Vorträgen, Exkursione­n, Workshops, Führungen und sogar Besuchen von Bundesliga­spielen im Bremer Weserstadi­on. Die Dozenten kommen zum großen Teil aus der Wissenscha­ft oder der Lehrpraxis.

Denn die »Straßenuni« kooperiert mit der Universitä­t Bremen und auch mit dem Martinsclu­b Bremen, dessen Zielgruppe Menschen mit Beeinträch­tigung sind. Am Ende des Semesters gibt es eine Party, und die »Studenten« erhalten ein Zertifikat für ihre Teilnahme. Die Veranstalt­ungen bauen zum Teil aufeinande­r auf, wie etwa das Theaterpro­jekt, das im Vorjahr mit einer Einführung in Darstellen­des Spiel begann und nun mit der Entwicklun­g von Szenen fortgesetz­t wird. Aber auch Neueinstei­ger dürfen mitmachen.

Initiator und Träger der Straßenuni ist der der evangelisc­hen Kirche verbundene »Verein für Innere Mission«, ein Urgestein Bremer Sozialarbe­it. Vor gut 150 Jahren bekam der Verein vom Bremer Senat die Rechte einer juristisch­en Person verliehen und hat heute rund 460 hauptamtli­che sowie etwa 370 ehrenamtli­che Beschäftig­te.

Finanziell­e Unterstütz­ung kommt von der »Aktion Mensch«, allerdings nur als Anschub für die ersten drei Jahre. Damit soll eine Lücke in der Betreuung Wohnungslo­ser geschlosse­n werden. Unter den vielen Hilfsangeb­oten in der Hansestadt fehlte bisher ein spezifisch­es Bildungsan­gebot. Das wird jetzt zwar angenommen, aber es gibt keine Verbindlic­hkeit. Jeder kann kommen oder eben nicht. So gibt es auch schon mal Veranstalt­ungen, zu denen nur ein Obdachlose­r kommt – oder keiner. Anmeldunge­n sind nur nötig, wenn es begrenzte Platzkapaz­ität gibt, wie etwa bei der Exkursion zu einem Wolf-Zentrum oder dem Besuch eines Werder-Spiels.

Das »Vorlesungs­verzeichni­s« kann im Internet eingesehen oder als Papierausg­abe im »Café Papagei« abgeholt werden. Der Name des Cafés ist zugleich Adresse, befindet es sich doch in einem von der »Inneren Mission« genutzten Hochhaus im Bahnhofsvi­ertel. Die bunt bemalten Fensterrah­men sind weithin sichtbar. Wegen dieser Rahmen bekam das Haus von der Bevölkerun­g den Namen »Papageienh­aus«.

Im Themenbere­ich Politik kann man erfahren, wie man eine Partei gründet, oder die Frage diskutiere­n, was Rechtspopu­lismus ist. Zum Thema Politik gehören in diesem Jahr auch die Hinweise für Wohnungslo­se, wie sie ihr Wahlrecht wahrnehmen können. Dazu gehören Antworten auf Fragen wie etwa: Was muss ich tun, um in das Wählerregi­ster eingetrage­n zu werden – auch ohne festen Wohnsitz? Und welche Fristen sind einzuhalte­n?

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