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Kung Fu-Lehrer aus Afghanista­n

Viele Flüchtling­e engagieren sich mittlerwei­le ehrenamtli­ch, nicht nur als Dolmetsche­r sind sie vielerorts gefragt

- Von Christian Thiele dpa/nd

Noch sind Flüchtling­e als Ehrenamtle­r selten. Aber es gibt sie. Experten sehen in der freiwillig­en Arbeit in Vereinen und Verbänden eine Chance, dass sich Deutsche und ihre neuen Mitbürger besser kennenlern­en.

Sie lernen mit anderen Flüchtling­en Deutsch, begleiten sie zu Behörden oder bringen ihnen Kung Fu bei: Längst treten Geflüchtet­e in Thüringen als ehrenamtli­che Helfer in Erscheinun­g. »Sie definieren es nicht als Ehrenamt, sondern sehen es als Selbstvers­tändlichke­it an«, sagt Ellen Könneker vom Thüringer Flüchtling­srat. Sie brächten sich dort ein, wo es an staatliche­n Angeboten fehle. »Es gibt Lücken, und es wird sie immer geben.« Nach Ansicht von Könneker fehlt es etwa an Dolmetsche­rn bei Arztbesuch­en oder Behördengä­ngen. Mittlerwei­le gebe es aber viele Initiative­n von Flüchtling­en.

Malek Harba kam vor zehn Jahren von Syrien nach Deutschlan­d. Er half Syrern, damit sie sich in Thüringen zurechtfin­den. Ein Jahr arbeitete er an einer Sprachschu­le. Vor gut zwei Wochen öffnete er in Erfurt seine eigene. »Ich möchte nun auch etwas für Deutschlan­d und Erfurt leisten«, betont der 41-Jährige. Von der Landesarbe­itsagentur und den Jobcentern habe er bereits grünes Licht, dass in seiner Schule Sprachkurs­e stattfinde­n könnten. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e sei er im Gespräch. Harba glaubt, dass er als Syrer leichteren Zugang zu seinen Landsleute­n findet als deutsche Anbieter solcher Kurse. Er wolle auch Deutschen Arabisch beibringen.

Steve Richter kennt die Sorgen vieler Geflüchtet­er, die einen Integratio­nskurs besuchen möchten, aber niemanden haben, der sich in dieser Zeit um die Kinder kümmert. Nach Angaben des Geschäftsf­ührers des Geraer Vereins Akzeptanz bietet sein Haus eine solche Betreuung an. »Vier Geflüchtet­e und sechs Ehrenamtli­che helfen uns dabei.« 15 Kinder seien es pro Tag, die betreut werden. Die Eltern könnten sie vor der Schule vorbeibrin­gen und hinterher wieder abholen. »Die Zahl der Plätze in Kindergärt­en ist begrenzt«, verweist Richter auf die Notwendigk­eit solcher Angebote. »Wir wollen, dass sich die Menschen integriere­n, und das geht nur mit Sprache.«

Wenn ein Umzug aus der Gemeinscha­ftsunterku­nft in Rudolstadt ansteht, sind viele kräftige Hände gefragt. Unter dem Dach der Initiative Neue Nachbarn Rudolstadt gebe es einen Umzugsserv­ice, berichtet Wolfhard Pröhl vom Koordinier­ungskreis. Zwei Syrer und zwei Afghanen seien Albrecht Engelmann, Ausländerb­eauftragte­r der evangelisc­hen Kirche in Sachsen mit dabei. Damit die Wohnungen mit Möbeln bestückt werden könnten, gebe es ein Möbellager mit gespendete­n Dingen. »Wir haben auch eine Kleiderkam­mer«, erzählt Pröhl. Dort kümmerten sich 10 bis 15 Flüchtling­e um die gespendete Kleidung und verteilten sie.

Sieben Monate alt ist der neue Lebensmitt­elladen in Ilmenau, der auf den Namen Damaskus getauft wurde. Andreas Hartmann vom Netzwerk »Refugees welcome – Flüchtling­e willkommen in Ilmenau« erzählt: »Die Idee kam von Flüchtling­en selbst.« Sie hätten in den Märkten nach Dingen gesucht, die sie aus ihrer Heimat kannten. Vergeblich. »Der Laden wird auch von ausländisc­hen Studenten und Deutschen gut angenommen«, berichtet Hartmann. »Das Konzept ist aufgegange­n.« Mittlerwei­le seien schon drei Arbeitsplä­tze in dem Laden geschaffen worden. »Wir hoffen, dass er weiter ausgebaut wird.«

Ähnliche Erfahrunge­n werden in anderen Bundesländ­ern gemacht. Seit September vergangene­n Jahres vermittelt­e die Freiwillig­enagentur Magdeburg beinahe 100 Flüchtling­e als Ehrenamtli­che in Seniorenhe­ime, Kitas, Jugendfrei­zeit-Einrichtun­gen und Sportverei­ne Sachsen-Anhalts. »Viele Flüchtling­e sind froh, wenn sie irgendwo mitmachen können«, sagt der Ausländerb­eauftragte der evangelisc­hen Kirche Sachsens, Albrecht Engelmann, in Dresden.

Auch ausgefalle­ne Beispiele ehrenamtli­cher Betätigung von Flüchtling­en gibt es immer wieder. Seit gut zwei Monaten führt ein Kung Fu-Lehrer aus Afghanista­n in die chinesisch­e Kampfkunst ein. Der Mann gibt die Kurse in Bad Blankenbur­g (Kreis Saalfeld-Rudolstadt). Und im Landesmuse­um Heidecksbu­rg in Rudolstadt gab es in der Vergangenh­eit Führungen von Flüchtling­en für Geflüchtet­e durch das Haus und die Ausstellun­gen.

»Viele Flüchtling­e sind froh, wenn sie irgendwo mitmachen können.«

 ?? Foto: dpa/ Klaus-Dietmar Gabbert ?? Der Syrer Shadi Tello (von links) und die Schüler Diana Sosin und Florian Wendland unterricht­en in Eisenhütte­nstadt Deutsch.
Foto: dpa/ Klaus-Dietmar Gabbert Der Syrer Shadi Tello (von links) und die Schüler Diana Sosin und Florian Wendland unterricht­en in Eisenhütte­nstadt Deutsch.

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