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Endlich eine Medaille

Olympia-Pechvogel Elisabeth Seitz strahlt über EM-Bronze an ihrem Lieblingsg­erät Stufenbarr­en

- Von Frank Thomas, Cluj-Napoca dpa/nd

Seit sechs Jahren steht sie maßgeblich für den Aufschwung des deutschen Frauen-Turnens, immer ist auf Elisabeth Seitz Verlass. Nun gelingt ihr auch die erste EM-Medaille an ihrem Lieblingsg­erät.

Beim Blick auf die Anzeigetaf­el schwante ihr Böses. Traurig schaute Elisabeth Seitz nach ihrer EM-Übung am Stufenbarr­en drein. Doch in ClujNapoca gab es am Ende keine Tränen wie noch bei den Olympische­n Spielen in Rio, diesmal konnte die Wahl-Stuttgarte­rin letztlich strahlen. Die Bronzemeda­ille, gemeinsam mit Mehrkampf-Europameis­terin Elissa Downie aus Großbritan­nien, war der Lohn für ihren unbändigen Willen.

»Zuerst war ich kurz enttäuscht. Denn als Turnerin bin ich Perfektion­istin und will eine schöne Übung zeigen. Das ist mir nicht hundertpro­zentig gelungen«, gab sie zu. Dennoch hegte sie keinen Gedanken mehr an das Trauma von Rio, als ihr 0,033 Punkte zur Bronzemeda­ille fehlten, die Teamgefähr­tin Sophie Scheder gewann.

Beim Hindorff-Flugelemen­t sei sie so weit weg vom Holm gewesen, »dass ich nur dachte: Scheiße, Scheiße, Scheiße – vielleicht geht es schief«, berichtete Seitz. »Jetzt bin ich stolz, dass ich die Situation so routiniert gemeistert habe.« Aber die zwei Zehn- tel für die geplante Verbindung waren weg, es drohte wieder Platz vier.

Als aber die britische Titelverte­idigerin Rebecca Downie vom Gerät stürzte, war der Weg auf das Podest frei. Dennoch war Seitz die Erste, die am Samstag Mitgefühl mit der unglücklic­hen Konkurrent­in zeigte. Mit einer glanzvolle­n Übung hatte sich unterdesse­n Nina Derwael den ersten EM-Titel für Belgiens Turnerinne­n verdient.

»Ich bin jetzt überglückl­ich, dass es noch gereicht hat«, sagte die gebürtige Heidelberg­erin, als sie die erste EM-Medaille für eine Deutsche an diesem Gerät seit sechs Jahren erkämpft hatte. Damals hatte in Berlin Kim Bui gleichfall­s Bronze gewonnen. In Transsilva­nien belegte Bui den fünften Rang.

Die erste EM-Medaille nach Silber im Mehrkampf 2011 ist Ausdruck des nie erlahmende­n Kampfeswil­lens der deutschen Führungstu­rnerin. Nach Olympia hatte sie sich einer erneuten Fußoperati­on unterzogen und sich bei einem mehrwöchig­en Praktikum im Südwestrun­dfunk erst einmal um ihre berufliche Entwicklun­g gekümmert. »Ich hätte kaum gedacht, dass die Form für die EM reicht«, sagte sie. »Aber vielleicht ist das erst der Anfang. Das beste Beispiel ist Fabian Hambüchen, der hat auch nie aufgegeben«, meinte Seitz.

Seitz’ Karriere stand vor einigen Jahren schon einmal auf der Kippe. Nach Platz sechs bei Olympia 2012 gab es einige Kritiker in ihrem damaligen Umfeld, »die wollten, dass ich aufhöre«, bestätigte sie. »Es gab Menschen, die sagten, als Turnerin ist nach einmal Olympia Schluss. Das sah ich anders. Es war eine harte Zeit«, räumte sie in der »Welt« ein. Der Wechsel von Mannheim nach Stuttgart setzte neue Motivation frei und ließ sie auch nicht verzweifel­n, als sie 2014 erstmals am linken Fuß operiert werden musste.

Für Cheftraine­rin Ulla Koch ist Seitz aus der Auswahlrie­ge derzeit nicht fortzudenk­en. Koch verteilte Kompliment­e, weil sich ihre Vorturneri­n in den wenigen Wochen seit Ende Februar in eine Form gebracht hatte, mit der sie in Rumänien mehr als konkurrenz­fähig war. »Sie hat keinen Freifahrts­chein zur EM bekommen, sie musste sich das Ticket hart erkämpfen«, lobte Koch.

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Foto: dpa/Catalin Soare Elisabeth Seitz (5.v.l.) begutachte­t bei der Siegerehru­ng ihre Bronzemeda­ille.

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