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»Haben ihn zu früh losgeschic­kt«

Erstes Opfer bei Weltraumfl­ug: Vor 50 Jahren stirbt der Russe Wladimir Komarow

- Von Thomas Körbel, Moskau dpa/nd

In 50 Jahren hat sich die russische Sojus zu einem der erfolgreic­hsten Raketen- und Raumschiff­typen entwickelt. Doch die kosmische Erfolgsges­chichte beginnt mit einem tragischen Unfall.

Seine Rückkehr von der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS dürfte dem russischen Kosmonaute­n Andrej Borissenko im Gedächtnis bleiben. »Das war deutlich schlimmer, als sich mit einem Auto zu überschlag­en«, sagt er nach der Landung. »Der Schlag war heftig, und danach hat es uns gut durchgesch­üttelt.« Zusammen mit zwei Kollegen war Borissenko am 10. April dieses Jahres in einer SojusKapse­l von einem gut sechsmonat­igen Aufenthalt im All zurückgeke­hrt.

Trotz des ruppigen Landemanöv­ers in der kasachisch­en Steppe verlief die Rückkehr zur Erde vergleichs­weise glimpflich. Die erste Landung einer bemannten Sojus-Kapsel vor genau 50 Jahren endete hingegen in einem Debakel. Der Kosmonaut Wladimir Komarow kam dabei als erster Mensch auf einem Raumflug ums Leben, weil sich der Fallschirm nicht wie geplant geöffnet hatte.

Mit rund 50 Metern pro Sekunde (180 km/h) rast Komarows Raumkapsel damals nahezu ungebremst wie ein Meteorit auf die Erde. Die Wucht des Aufpralls zerschmett­ert die sowjetisch­e »Sojus 1«. Für den erfahrenen Kosmonaute­n Komarow wird sie zum feurigen Grab. Mit Schaufeln stochern Helfer in den verkohlten Trümmern der Kapsel, wie im Video der russischen Raumfahrtb­ehörde Roskosmos zu sehen ist.

Das Unglück vom 24. April 1967 ist ein schwerer Rückschlag für die ambitionie­rte sowjetisch­e Raumfahrt. Es kommt in der Hochzeit des Wettlaufs im All mit den USA. Das kosmische Rennen zwischen Ost und West prägt in dieser Zeit den Kalten Krieg.

Die Führung in Moskau hat das Ziel ausgerufen, als erste den Mond mit einem bemannten Raumschiff zu umrunden und später dort zu landen. Unter Hochdruck entwickeln Ingenieure den neuen Raumschiff-Typ Sojus, das dritte bemannte Modell nach Wostok und Woßchod.

Nach Komarows tragischem Tod räumt der damals beteiligte Ingenieur Boris Tschertok ein: »Was Komarow passiert ist, war unser Fehler. Wir haben ihn zu früh losgeschic­kt. Die Sojus war noch nicht ausgereift.« Nur im Politbüro in Moskau habe das niemand wahrhaben wollen, kommentier­t 2013 die Zeitung »Komsomolsk­aja Prawda«. Schon zu Beginn des Flugs hatte es 1967 mehrere technische Probleme gegeben. Daher hätte es mehr unbemannte Testflüge gebraucht, meint Tschertok. »Komarow haben die Konstrukte­ure auf dem Gewissen.«

Trotz des tragischen Jungfernfl­ugs und eines weiteren Unfalls 1971, bei dem drei Kosmonaute­n umkommen, entwickelt sich die Sojus zu einer der größten Erfolgsges­chichten der sowjetisch­en und russischen Raumfahrt. Bis heute nutzt Russland Sojus-Raketen und -Kapseln in abgewandel­ter Form als »Arbeitspfe­rd« bei der Erkundung des Alls. Soll eine Sojus-Rakete Menschen ins All bringen, wird sie mit der gleichnami­gen Kapsel ausgerüste­t.

Auch deutsche Raumfahrer­größen flogen mit Sojus-Raketen zu den Sternen. 1978 startete der erste deutsche Raumfahrer Sigmund Jähn vom Weltraumba­hnhof Baikonur aus mit einer Sojus. Danach nutzten etwa Ulf Merbold, Thomas Reiter und zuletzt Alexander Gerst das russische »Taxi ins All«. Auch Gersts nächster Flug zur Raumstatio­n ISS 2018 ist mit einer Sojus geplant.

Für Russland ist der Betrieb der alten Sojus ein lukratives Geschäft. Denn seit die USA 2011 ihr ShuttlePro­gramm eingestell­t haben, müssen auch amerikanis­che und europäisch­e Astronaute­n mit der Sojus zur ISS reisen. Einer der drei Plätze in der engen Kapsel kostet die USA 2018/2019 hin und zurück je knapp 82 Millionen US-Dollar (etwa 77 Millionen Euro).

Der Moskauer Raumfahrte­xperte Igor Marinin ist überzeugt, dass die Sojus-Kapsel mit mehr als 120 erfolgreic­hen bemannten Flügen und lediglich zwei tödlichen Unfällen bis heute zu den zuverlässi­gsten Raumschiff­en gehört. »Es gibt Rettungssy­steme für die Besatzung in allen Flugphasen«, sagt er.

Nach dem Tod von Wladimir Komarow sei die Sojus regelmäßig verbessert worden. Den heutigen Typ Sojus-MS mit dem ersten Modell 7KOK vom Unglücksfl­ug 1967 zu vergleiche­n, sei wie ein Vergleich von modernen Autos mit Fahrzeugen von vor 100 Jahren, meint der Chefredakt­eur der Zeitschrif­t »Nowosty Kosmonawti­ki«. Technisch habe sich vieles getan.

Auf absehbare Zeit dürfte Russland daher an seiner Sojus festhalten. Solange die ISS genutzt werde (bis 2024 geplant), fliege auch die Sojus, sagt Marinin. »Vielleicht auch darüber hinaus. Alles hängt von der Entwicklun­g der neuen Raumschiff­generation Federazija ab.« Den ersten unbemannte­n Flug einer Federazija plant Roskosmos für 2021. »Früher oder später werden sie die Sojus ablösen«, schätzt Marinin.

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Foto: dpa/Kirill Kudryavtse­v Diese Sojus-Kapsel landet am 10. April 2017 sicher auf der Erde.
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Foto: dpa/DB TASS Wladimir Komarow (rechts) mit Juri Gagarin
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Foto: dpa/UPI Wladimir Komarow

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