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Minister warnt vor Verrohung

Polizeilic­he Kriminalst­atistik weist Anstieg von Gewaltdeli­kten aus / Asylbewerb­er überdurchs­chnittlich beteiligt

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Die Kriminalit­ät in Deutschlan­d steigt nicht, das ist die Bilanz der Polizeista­tistik. Aber in bestimmten Bereichen steigt sie doch, und in manchen wuchs sie 2016 sogar exorbitant.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière bemühte sich am Montag um differenzi­erte Darstellun­g. Die Kriminalit­ät stieg 2016 insgesamt nicht, fasste er die Polizeilic­he Kriminalit­ätsstatist­ik zusammen. Angesichts einer auf 82,8 Millionen gewachsene­n Einwohnerz­ahl ist dies ein für einen Innenminis­ter durchaus erfreulich­es Fazit, wie de Maizière hervorhob. Auch mit den Aufklärung­sraten schien er zufrieden. 56,2 Prozent beträgt deren Quote; damit ist sie gegenüber 2015 nahezu unveränder­t. Besonders häufig werden Tötungsdel­ikte (94,6 Prozent) aufgeklärt oder auch Schwarzfah­ren (99,2 Prozent) und Sozialleis­tungsbetru­g (99,4 Prozent).

Doch bei genauerem Blick tun sich wie immer in solchen Fällen unterschie­dliche Tendenzen auf, manchmal gar Abgründe. Und so sprach der Minister von einer besorgnise­rregenden Verrohung der Gesellscha­ft, die auch in dieser Statistik deutlich werde.

Insgesamt stieg die Zahl der Fälle von Gewaltkrim­inalität im vergangene­n Jahr um 6,7 Prozent auf 193 542 Delikte. Zurückzufü­hren ist dies vor allem auf mehr Delikte im Bereich »Gefährlich­e und schwere Körperverl­etzung« (ein Wachstum gegenüber 2015 um 9,9 Prozent auf 140 033 Fälle). Im Zuge der starken Zuwanderun­g vor allem im Jahr 2015 und Anfang 2016 stieg auch die Zahl der straffälli­g gewordenen Flüchtling­e – um 52,7 Prozent. Extra erfasst als »Einwandere­r« wurden in der Polizeista­tistik Asylbewerb­er, Bürgerkrie­gsflüchtli­nge und Geduldete – waren 2015 noch 114 000 von ihnen als Straftäter registrier­t worden, sind es im Jahr darauf 174 000. Nicht erfasst sind hier Verstöße gegen das Ausländerr­echt.

Flüchtling­e mit noch ungeklärte­m Aufenthalt­sstatus haben bei der Gewaltkrim­inalität sowie bei Vergewalti­gungen und sexueller Nötigung einen Anteil von jeweils 14,9 Prozent. Das übertrifft ihren Anteil an der Bevölkerun­g deutlich, wie de Maizière feststellt­e. »Da gibt es nichts zu beschönige­n.« Insbesonde­re Jugendlich­e treten häufiger bei Gewaltdeli­kten in Erscheinun­g, die Kriminalst­a- tistik verzeichne­t hier einen Anstieg um zwölf Prozent auf 22 646 Tatverdäch­tige. Bei gefährlich­en und schweren Körperverl­etzungen wurde ein Zuwachs um 16,5 Prozent auf 18 156 jugendlich­e Verdächtig­e registrier­t.

»Bei den Gewaltdeli­kten gab es ein Prozent mehr deutsche, aber knapp 90 Prozent mehr zugewander­te Tatverdäch­tige«, sagte der Minister. Es

handele sich bei den Tätern häufig um junge Männer. Und ein Blick auf die Opfer zeigt, dass diese sehr häufig wie die Täter selbst in den Flüchtling­sunterkünf­ten zu finden waren. Was auch für de Maizière ein Hinweis auf eine mögliche Ursache war: die beengten Wohnverhäl­tnisse in den Sammelunte­rkünften für Flüchtling­e.

Warum die Statistik eine gesonderte Erfassung von Asylbewerb­ern mit nicht abgeschlos­senem Asylverfah­ren ausweist, hält die Politikeri­n der Linksfrakt­ion im Bundestag Ulla Jelpke für eine politische Entscheidu­ng. »Es wäre fatal, jetzt eine Diskussion über angeblich flüchtling­sspezifisc­he Kriminalit­ät loszutrete­n«, erklärte sie.

Auch des Ministers relativier­ende Bemerkunge­n können den Eindruck einer solchen Absicht nicht verhindern. Etwa jene, dass es sich häufig um intensive Mehrfachtä­ter handele, während das Gros der Flüchtling­e unbescholt­en sei. Zudem konzentrie­re sich die Zahl der Straftäter auf ganz bestimmte Länder. »Die wirklich Schutzbedü­rftigen« wie etwa Syrer seien unter den Straffälli­gen unterreprä­sentiert. Dennoch lautete das Fazit des Ministers: »Die Strafen müssen härter werden.« Und mit Genugtuung verwies er auf das kurz vor der Verabschie­dung stehende BKA-Gesetz sowie auf die Anstrengun­gen der Bundesregi­erung zur kompromiss­losen Abschiebun­g von Menschen ohne Schutzstat­us in Deutschlan­d.

Solche Fakten aus der Statistik stützen seine Bemerkunge­n: »Einwandere­r« stellen beim Taschendie­bstahl einen Anteil von 35,1 Prozent aller gut zwei Millionen Tatverdäch­tigen. Bei Wohnungsei­nbrüchen sind es 11,3 Prozent. Abgenommen haben demgegenüb­er »Raubdelikt­e« (um 3,7 Prozent). Die in der Definition der Gewaltkrim­inalität nicht enthaltene »Vorsätzlic­he einfache Körperverl­etzung« stieg gegenüber dem Vorjahr um ebenfalls erhebliche 8,1 Prozent auf 406 038 Fälle. Registrier­t wurden weniger Wohnungsei­nbrüche – allerdings war deren Zahl im Vergleichs­jahr 2015 auf einen Höchststan­d gewachsen. Und mit 14,6 Prozent ist die Aufklärung­srate bei Diebstahls­delikten »unter erschweren­den Umständen«, zu denen der Wohnungsei­nbruch zählt, überdies besonders niedrig.

Eine gesonderte Erhebung legte Thomas de Maizière zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät 2016 vor, obwohl diese nur ein Prozent der Gesamtstat­istik ausmacht. Doch auch hier sind es die politisch motivierte­n Straftaten von Ausländern, die den Minister zu besonderer Warnung veranlasse­n. Die Fallzahlen erhöhten sich gegenüber 2015 um 66 Prozent auf 3372. In absoluten Zahlen blieb dieser Bereich aber deutlich hinter der übrigen politische­n Kriminalit­ät in Deutschlan­d zurück. Im Wesentlich­en ging es um Delikte bei Versammlun­gen, in denen es um Auseinande­rsetzungen zwischen der Türkei und der Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) ging.

»Die Strafen müssen härter werden.« Bundesinne­nminister Thomas de Maizière

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Foto: dpa/Peter Endig Politisch motivierte Gewalt von rechts – Spur der Verwüstung nach einer Nazidemo in Leipzig

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