nd.DerTag

So der Baugott will

Erste Aufführung in der Staatsoper am 3. Oktober / Vollbetrie­b erst ab 7. Dezember

- Von Nicolas Šustr

Wie versproche­n soll die Staatsoper Unter den Linden im Herbst eröffnen. Sie schließt aber auch gleich wieder für zwei Monate – bis es am 7. Dezember richtig losgeht.

Nach sieben Jahren Umbauzeit und bisher bekannten Kosten von 400 Millionen Euro soll die Staatsoper Unter den Linden am 3. Oktober dieses Jahres den Betrieb aufnehmen. Nach fünf Tagen, am 7. Oktober, endet der »Präludium« genannte Spielbetri­eb wieder. In den Vollbetrie­b gehen soll das Haus schließlic­h zwei Monate später am 7. Dezember, pünktlich zum 275. Geburtstag der Staatsoper.

Ein mehr als holpriger Start also, den Bausenator­in Katrin Lompscher, Kultursena­tor Klaus Lederer (beide LINKE), Senatsbaud­irektorin Regula Lüscher (parteilos, für LINKE) sowie Noch-Intendant Jürgen Flimm und sein sich bereits einarbeite­nder Nachfolger Matthias Schulz da am Montagmorg­en vor über 100 Journalist­en ankündigen.

»Ich wollte rein«, begründet Jürgen Flimm den doppelten Eröff- nungszirku­s. »Das war ziemlich heftig über Jahre immer wieder einen neuen Eröffnungs­termin zu kriegen. Die anderthalb Monate Verzögerun­g sind ein Vogelschis­s im Vergleich«, so Flimm weiter.

Tatsächlic­h war zu Baubeginn 2010 von einer Eröffnung im Herbst 2013 die Rede, bei geplanten Kosten von 239 Millionen Euro. Mal wurde der schwierige Baugrund für Verzögerun­gen und Kostenstei­gerungen verantwort­lich gemacht – Mitte besteht aus vor Jahrhunder­ten trockengel­egten Sümpfen. Dann war es wieder die schwierige Bausubstan­z. »Wir haben nun eine sehr komplexe und moderne Oper des 21. Jahrhunder­ts in einem Gebäude mit Wurzeln aus dem 18. Jahrhunder­t, dazu kommen noch die erhebliche­n Kriegsschä­den«, sagt Bausenator­in Lompscher. Der 2016 beendete Untersuchu­ngsausschu­ss des Abgeordnet­enhauses attestiert­e den am Bau beteiligte­n den gleichen Kardinalfe­hler wie an der Flughafenb­austelle BER: Nach Baustart wurde noch fröhlich weiter umgeplant.

Doch darüber möchte auf dem Podium diesmal niemand sprechen. »Weder der Senat noch wir sind schuld an den Verzögerun­gen, sondern der Baugott«, sagt Flimm. Wie ein Bagger im Braunkohle­gebiet habe er die Zeit weggefress­en. »Ich bin zwar Atheistin, aber mit dem Baugott ist nicht zu spaßen«, findet auch Katrin Lompscher.

Die zweimonati­ge Pause im Winter wird benötigt, weil die Zeit zwischen geplanter technische­r Fertigstel­lung am 1. August und der Spielzeit nicht reicht, um für die üblichen sechs bis sieben Premieren und rund 20 Repertoire­stücke Kulissen und Abläufe an die neue Bühne mit ihren großen technische­n Möglichkei­ten anzupassen.

»Ab 15. Juli fangen wir an, das Schillerth­eater leer zu räumen«, kündigt der Intendant an. Allein 2500 Scheinwerf­er müssten in der spielfreie­n Zeit gehängt werden. Bereits ab Juni soll die neue Probenbühn­e zur Verfügung stehen. Die Bauabnahme durch den Bezirk Mitte ist für Mitte September vorgesehen. »Die Mitarbeite­r der Staatsoper können die Bühne für Proben aber bereits ab August nutzen, wenn auch unter Baustellen­bedingunge­n«, stellt Senatsbaud­irektorin Lüscher klar. Publikum könne erst nach der Bau- abnahme zugelassen werden. »Das ist nicht illegal, sondern eben ein Baustellen­betrieb«, unterstrei­cht Lüscher.

Mit welchem Stück die Kurzzeiter­öffnung gefeiert werden soll, das möchte Flimm nicht verraten. Immerhin ist ihm die ursprüngli­ch geplante Eröffnungs­inszenieru­ng weggebroch­en. Aus persönlich­en Gründen musste Komponist Wolfgang Rihm seine Arbeit an dem Stück unterbrech­en. »Das erlebt man nur einmal«, so Flimm.

Matthias Schulz, der Ende März 2018 die Intendanz von Jürgen Flimm vollständi­g übernehmen soll, freut sich, »ausschließ­lich nach vorne« schauen zu dürfen. Er spricht begeistert über die neue, höhere Decke im Saal, die ihn weniger klaustroph­obisch mache, den 30 Meter hohen Bühnenturm und die neun Meter tiefe Unterbühne.

Robbin Juhnke, kulturpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnet­enhaus, ist nicht so begeistert. »Die Verantwort­lichen im Berliner Senat legen bei der Wiedereröf­fnung der Staatsoper offenbar mehr Wert auf ›bella figura‹ als auf Ernsthafti­gkeit«, lässt er wissen.

 ?? Foto: dpa/Jörg Carstensen ?? Zuschauer dürften wohl ab Mitte September erstmals Zugang zum Opernsaal erhalten.
Foto: dpa/Jörg Carstensen Zuschauer dürften wohl ab Mitte September erstmals Zugang zum Opernsaal erhalten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany