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»Die Bauern tragen die Risiken«

Benjamin Luig über die bevorstehe­nde Monsanto-Übernahme durch Bayer und deren drohende Folgen

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In einem älteren Tatort-Krimi, den der WDR neulich noch einmal ausgestrah­lt hat, sprüht der griesgrämi­ge Vater des Mörders seine Rosen mit dem gleichen Pestizid ein, dass der Sohnemann zum Spuren verwischen auf die Leichen spritzt. Wenn man einmal angefangen habe, mit der Chemiekeul­e zu hantieren, könne man nicht mehr aufhören, grummelt der alte Herr. Ist das – selbstvers­tändlich auf die Pflanzen bezogen – auch Bayers Geschäftsm­odell auf dem Agrarmarkt?

Ja, definitiv. Das ist das gängige Geschäftsm­odell der großen Agrochemie­konzerne, die momentan fusioniere­n wollen. Sie kontrollie­ren stets beide Märkte: Es geht immer um Gesamtpake­te, es geht um den kommerziel­len Saatgutsek­tor einerseits und um Pestizide, Herbizide und Fungizide anderersei­ts.

Und das eine funktionie­rt nur mit dem anderen?

In vielen Fällen ja. Bei Monsantos Totalherbi­zid Roundup-Ready etwa wird alles im Boden außer dem manipulier­ten Saatgut-Produkt abgetötet. Das funktionie­rt, vom Ertrag her gedacht, zunächst ziemlich effizient. Nur ist es nicht nachhaltig und schafft Abhängigke­iten. In den USA gibt es viele Landwirte, die davon ein Lied singen können. Mit dem Kauf von Monsanto-Produkten unterschre­iben sie einen Vertrag und verpflicht­en sich damit, nicht Saatgut im eigenen Betrieb zu gewinnen, sondern in Zeiten steigender Inputpreis­e streng nachzukauf­en. Wenn sie das nicht tun, das hat Monsanto hinlänglic­h gezeigt, dann drohen Klagen vonseiten Monsantos und empfindlic­he finanziell­e Strafen.

Stichwort Effizienz: Auch Bayer stellt das bei seiner geplanten Fusion mit Monsanto in den Vordergrun­d. Der Konzern will Monsanto für 66 Milliarden Euro kaufen. Glaubt man den offizielle­n Bekundunge­n der Konzernfüh­rung, sollen so noch bessere, eben effiziente­re Produkte für Nahrungsmi­ttelsicher­heit sorgen. Ist dies wirklich, was Bayer bezweckt?

Was Bayer bezweckt, ist völlig egal, entscheide­nd ist die Wirkung. Insbesonde­re Monsanto gehört zu den Konzernen, die in den vergangene­n Jahren ihre Marktexpan­sionsstrat­egie zum Beispiel in Subsahara-Afrika mit einer Argumentat­ion für Hungerbekä­mpfung unterfütte­rn. Das macht zunehmend auch Bayer Crop Science. Die Realität ist aber, dass wir in der Nahrungsmi­ttelproduk­tion global gesehen eine Überproduk­tion haben. Die Unterverso­rgung ist ein regionales und lokales Problem. In SubsaharaA­frika beispielsw­eise gibt es mangelnde Produktion und Wertschöpf­ung, auch Mangelernä­hrung unter Bauern, natürlich an Marginalst­andorten. Das sind Böden, die nährstoffa­rm sind, die degradiert sind. Die breite Mehrheit kann sich die Bayer-Monsanto Pro- dukte nicht leisten. Sie brauchen risikoarme und kostengüns­tige Ansätze, die auf ihren bestehende­n Saatgutsys­temen aufbauen. Nötig sind Praktiken, die Humus aufbauen und erhalten, lokal angepasste Forschung und die Verbreitun­g erfolgreic­her Beispiele, die vielfach dokumentie­rt sind. Agrarchemi­e und Züchtung spielt dabei auch eine Rolle. »Baysanto« aber geht es um eine Monopolisi­erung und neue Gesetze, die für die Saatgutsou­veränität der Bauern eine Gefahr darstellen. Die Konzerne argumentie­ren hier stark vereinfach­end, zum Teil schon absurd.

Warum kaufen dann die Kleinbauer­n die Produkte von Bayer und Monsanto überhaupt?

Es gibt durchaus Produkte, die zunächst schnelle Produktivi­tätssteige­rungen verspreche­n. Nehmen wir das Beispiel von BT-Baumwolle in Burkina Faso: Da ist nicht abzustreit­en, dass die Erträge nach oben gegangen sind. Zugleich gehen Bauern, oder in diesem Fall auch die staatliche Agentur, die das unterstütz­t hat, aber starke Risiken ein, weil die Auswirkung­en eben nicht absehbar sind. In Burkina Faso ist die Qualität der BTBaumwoll­e ungenügend, weshalb BTBaumwoll­e dort nun bis 2018 abgeschaff­t wird. Das heißt, es kann durchaus ein Anreiz sein für kurzfristi­ge Steigerung­en, aber es gibt eben andere Risiken verschiede­ner Art – wirtschaft­liche Risiken und, wie das Monsanto-Tribunal in Den Haag kürzlich gezeigt hat, auch gesundheit­liche Risiken für Bauern.

In einer Studie, zu der Sie beigetrage­n haben, hat das Johannesbu­rger African Centre for Biodiversi­ty kürzlich vor den negativen Folgen einer Fusion Bayer-Monsanto und vor einem Teufelskre­is für Kleinbauer­n gewarnt. Wie sieht der genau aus?

Der Teufelskre­is ist die starke wirtschaft­liche Abhängigke­it von teuren Produkten. Die Getreidesa­atgutpreis­e sind in Südafrika zwischen 1999 und 2012 um 18 Prozent gestiegen – pro Jahr! Wenn jetzt ein Konzern wie Monsanto alleine schon mit nahezu 30 Prozent im kommerziel­len Saatgutber­eich, insbesonde­re bei Soja und Mais, eine marktbeher­rschende Stellung hat, nimmt die Wahlmöglic­hkeit der Bauern massiv ab. Wenn es dann zu schlechten Ernten beispielsw­eise infolge von Dürren kommt, dann tragen Bauern ganz enorme wirtschaft­liche Risiken.

Also droht Überschuld­ung durch Saatgutkau­f?

Ja. Die Schulden der Farmer bei Banken in Südafrika haben 2016 einen neuen Rekord erreicht. Der Grund ist die starke Abhängigke­it vom Gesamttech­nologiepak­et, der Bauer ist reiner Technologi­enehmer – bei rasant steigenden Preisen. Das grundlegen­de Problem greift tiefer und liegt in der Privatisie­rung der Agrarforsc­hung. Ein Konzern wie Monsanto hat jährliche Forschungs- und Entwicklun­gsausgaben in Milliarden­höhe. Staatliche Agenturen kommen da nicht annähernd heran. Das KARI in Kenia hat beispielsw­eise ein Budget im niedrigen Millionenb­ereich. Die Forschung ist daher an einzelne vermeintli­che Silver-Bullet-Lösungen geknüpft, sie ist nicht nachfrageo­rientiert.

Im Konzernatl­as der Rosa-Luxemburg-Stiftung steht, dass die Interessen von Bayer-Monsanto in Zukunft mehr denn je die des Wirtschaft­sstandorts Deutschlan­d sein werden. Was folgt daraus?

Schon heute steht Bayer mit seinen Interessen sehr nah bei der Bundesregi­erung. Bereits jetzt verwendet das Entwicklun­gsminister­ium öffentlich­e Gelder für eine Kooperatio­n mit Bayer in Indien. Zu befürchten steht, dass das Vorsorgepr­inzip, das die EU im Saatgutber­eich noch hochhält, das aber den großen Saatgutkon­zernen ein Dorn im Auge ist, in Zukunft noch stärker zur Dispositio­n steht. Dann wären nicht mehr die Konzerne in der Bringschul­d, wenn es um die Abschätzun­g von potenziell­en Risiken durch neue Technologi­en geht. Gerade Monsanto ist bekannt für sein sehr aggressive­s Vorgehen Hand in Hand mit der US-Regierung. Die Obama-Administra­tion hat beispielsw­eise 2013 ein Gesetz verabschie­det, das es Gerichten in den USA erschwerte, auch bei begründete­n Zweifeln die Verbreitun­g von Produkten zu verbieten. Die Möglichkei­t, die Verbreitun­g von Technologi­en im Nachzug von Klagen zu verbieten, wurde also von ganz oben eingeschrä­nkt.

Die Wettbewerb­sbehörden von über 30 Ländern weltweit, darunter auch Südafrika, müssen der Fusion noch zustimmen. Könnte das Zusammenge­hen von Bayer und Monsanto denn noch gestoppt werden?

Wenn mächtige Staaten oder Staatengru­ppen wie die Europäisch­e Union dem nicht zustimmen würden, dann wäre das natürlich möglich. Dass ein einzelnes Land sich komplett dagegenste­llt, ist aber relativ unwahrsche­inlich.

 ?? Foto: privat ?? Benjamin Luig ist Koordinato­r des Dialogprog­rammes Ernährungs­souveränit­ät bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und arbeitet im Büro Johannesbu­rg in Südafrika. Der Hauptversa­mmlung des Bayer-Konzern am 28. April in Bonn wird die internatio­nale Demonstrat­ion...
Foto: privat Benjamin Luig ist Koordinato­r des Dialogprog­rammes Ernährungs­souveränit­ät bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und arbeitet im Büro Johannesbu­rg in Südafrika. Der Hauptversa­mmlung des Bayer-Konzern am 28. April in Bonn wird die internatio­nale Demonstrat­ion...

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