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Trump reizt Erdogan

USA-Präsident verärgert türkischen Präsidente­n mit Äußerungen zu den Massakern im Osmanische­n Reich vor 100 Jahren an Armeniern

- Von Roland Etzel

Die türkische Regierung hat Kritik an der Erklärung des US-Präsidente­n zum 102. Jahrestag des Massakers an den Armeniern im Osmanische­n Reich geübt. Trump sprach von Massen-Gräueltate­n.

Das kam offenbar unerwartet. Wird Recep Tayyip Erdogan seinen Amtskolleg­en Donald Trump jetzt auch einen Nazi nennen? Er täte ihm möglicherw­eise unrecht. Vielleicht war es nur einer der unbedachte­n Rundumschl­äge seiner dilettiere­nden Crew im State Department, die Trump auch in der Armenierfr­age ein wenig unzulängli­ch beraten hat.

Jedenfalls hat Trump in der von ihm gewohnten ungeschlac­hten Art wohl versehentl­ich ins Schwarze getroffen, als er die 1915 beginnende­n Massaker an der nationalen Minderheit der Armenier im Osmanische­n Reich als »eine der schlimmste­n Massen-Gräueltate­n des 20. Jahrhunder­ts« bezeichnet­e. Der US-Präsident erklärte anlässlich des jährlichen Gedenktage­s zum Genozid laut AFP weiter, »wir müssen an Gräueltate­n erinnern, um zu verhindern, dass sie wieder geschehen«.

In Ankara muss die Kritik wie eine Bombe eingeschla­gen haben. Die regierungs­freundlich­en türkischen Medien – und das sind mittlerwei­le notgedrung­en so gut wie alle – sprachen wie das Istanbuler Blatt »Hürriyet« von einer Beleidigun­g der türkischen Nation. Andere wurden noch gröber.

Das offizielle Ankara blieb demgegenüb­er noch recht schmallipp­ig. So kritisiert­e der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu die Äußerungen des US-Präsidente­n als »Fehlinform­ation« und »falsche Definition«. AFP zitiert ihn weiter mit der Forderung, die Türkei erwarte von der neuen US-Regierung, sich keine »einseitige historisch­e Sichtweise von Kreisen zu eigen zu machen, die für ihren Hang zu Gewalt und Hassreden bekannt sind«. Die USRegierun­g müsse »das Leiden aller Seiten in Betracht ziehen«. Vor der türkischen Botschaft in Washington protestier­ten sowohl Armenier, die ihre Genugtuung über Trumps Erklärung zum Ausdruck brachten, als auch türkische Nationalis­ten dagegen. Die Polizei hielt beide Seiten aber auseinande­r.

Der Sprecher des Weißen Hauses wirkte danach recht betreten. Sean Spicer redete sich damit heraus, dass sich Trumps Äußerungen nicht von denen früherer US-Regierunge­n unterschie­den. Sich von Barack Obamas Politik abzusetzen – darauf allerdings legt man sonst immer sehr viel Wert. Spicer verwies in seiner Erklärungs­not darauf, dass Trump nicht von »Genozid« gesprochen habe.

Trumps Truppe führt damit aber tatsächlic­h einen ähnlichen Eiertanz auf wie die Obama-Administra­tion. Auch zu deren Zeit wurde der Bündnispar­tner in Ankara bereits einmal schwer verärgert. Ausgelöst wurde die damalige Missstimmu­ng im März 2010 von einer Resolution des Auswärtige­n Ausschusse­s des US-Kongresses, in der die Verfolgung der Armenier als »Völkermord« bezeichnet worden war.

Die türkische Regierung wies den Vorwurf damals scharf zurück. »Wir verurteile­n diese Resolution, die der türkischen Nation ein Verbrechen anlastet, das sie nicht begangen hat«, sagte damals Erdogans Amtsvorgän­ger Abdullah Gül. Seinerzeit glätteten sich die Wogen allerdings schnell wieder.

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