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Feminismus als Fassade

Die W20-Konferenz erarbeitet Vorschläge, um Frauen wirtschaft­lich zu stärken / Grüne kritisiere­n, dass der Gipfel nur auf Unternehme­rinnen abzielt

- Von Aert van Riel

Internatio­nale Spitzenpol­itikerinne­n, Bankerinne­n und Unternehme­rinnen haben bei einem Treffen in Berlin versproche­n, sich dafür einzusetze­n, die Erwerbsbet­eiligung von Frauen zu steigern.

Was in der Familie des US-Präsidente­n Donald Trump geäußert wird, wirkt zuweilen grotesk. Vor wenigen Monaten hatte Ivanka Trump ihren Vater, der mit seinen sexuellen Übergriffe­n auf Frauen prahlt, als »Feministen« bezeichnet. Das war kein subtiler Scherz. Ivanka führte aus, dass Frauen in den Unternehme­n ihres Vaters seit langem in Spitzenpos­itionen beschäftig­t seien. »Er hat Geschlecht­ergerechti­gkeit vorgelebt.«

Diese Behauptung­en durfte Ivanka Trump, die ihren Vater politisch berät, am Dienstag in leicht abgewandel­ter Form im Rahmen einer Podiumsdis­kussion beim zweitägige­n »Women20 Summit« in Berlin wiederhole­n. Dort waren sich die Teilnehmer­innen einig, dass eine größere Beteiligun­g für Frauen am Unternehme­rtum ermöglicht werden solle. Ivanka Trump war mit dem Ziel angereist, Unterstütz­ung für Investitio­nen in Wirtschaft­sführungsp­rogramme für Frauen zu gewinnen.

Die Ergebnisse der Frauenkonf­erenz werden den Staats- und Regierungs­chefs auf dem G20-Treffen als Empfehlung­en übergeben. Die Lenker von 19 Industrie- und Schwellenl­ändern sowie Vertreter der Europäisch­en Union, die im Juli in Hamburg zusammenko­mmen, sollen etwa eine Arbeitsgru­ppe für die wirtschaft­liche Stärkung von Frauen aufstellen. Diese soll dann die erzielten Fortschrit­te messen.

In Berlin saßen neben Ivanka Trump, die für den Familienko­nzern, die Trump Organizati­on, arbeitet und unter ihrem Namen Schuhe und Schmuck verkauft, unter anderen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), die Vizechefin der Bank of America, Anne Finucane, Niederland­s Königin Maxima, Kanadas Außenminis­terin Chrystia Freeland sowie die konservati­ve französisc­he Politikeri­n und IWF-Chefin Christine Lagarde auf dem Podium.

Merkel sprach sich für die Gründung eines Geldfonds zur Frauenförd­erung in Entwicklun­gsländern aus. Dieser könnte aus staatliche­n und privaten Mitteln gefüllt, bei der Weltbank angesiedel­t und dort mit Fördermitt­eln weiter aufgestock­t werden. Zudem forderten die Diskutanti­nnen, dass die Erwerbsbet­eiligung von Frauen gesteigert werden sollte. Unter den Bedingunge­n einer neoliberal­en Wirtschaft­spolitik muss man allerdings davon ausgehen, dass es hierbei nicht nur um eine größere Autonomie für Frauen geht. So hatte Ivanka Trump in der Vergangenh­eit etwa behauptet, dass es feministis­ch sei, wenn sich Frauen ständig selbst optimierte­n und ihr Familien- und Berufslebe­n nicht mehr voneinande­r zu trennen seien. Die »Zeit« bezeichnet­e dies kürzlich als eine »stramm- kapitalist­ische Linie« und in Anlehnung an die Autorin Andi Zeisler als »Marktplatz-Feminismus«. Auch Spitzenpol­itiker der G20 könnten sich mit diesem Modell wohl anfreunden.

Dagegen wurden die vielen Millionen Frauen, die weltweit unter wirtschaft­licher Ausbeutung und Unterdrück­ung leiden, bei dem »Women20 Summit« nicht vertreten. An deren Situation erinnerte teilweise ein Zustandsbe­richt von Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig. Die SPD-Politikeri­n wies darauf hin, dass in Russland gerade die Strafe für häusliche Gewalt herabgeset­zt worden sei. »In Indien ist Vergewalti­gung in der Ehe nicht strafbar, in Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht Auto fahren und in den USA gibt es keine bezahlte Elternzeit nach der Geburt«, erklärte Schwesig. Auch in Deutschlan­d gebe es noch Nachholbed­arf, erklärte die Ministerin. So existiere etwa eine Lohnlücke von 21 Prozent zwischen Männern und Frauen.

Ulle Schauws und Jürgen Trittin, die für die Grünen im Bundestag sitzen, erwarteten keine großen Fortschrit­te von der Konferenz. »Leider zielt der Gipfel nur auf wenige Frauen: Die Unternehme­rinnen«, monierten sie. Schauws und Trittin forderten »eindeutige Vorschläge für die Steigerung des Erwerbsvol­umens von Frauen, für Entgeltgle­ichheit und für ein Rückkehrre­cht auf Vollzeit«. In der Großen Koalition ist eine gerechtere Frauenpoli­tik bislang an dem Widerstand der Union gescheiter­t.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Ivanka Trump mimt gerne die Frauenrech­tlerin.

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