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Fünfter Abschiebef­lug nach Kabul

25 000 Asylbegehr­en aus Afghanista­n in drei Monaten abgelehnt – Kritik an Asylpraxis hält an

- Von Stefan Otto

Die umstritten­e Praxis, abgelehnte afghanisch­e Asylbewerb­er auszuweise­n, geht weiter. Erneut wurden 14 Migranten in das Krisenland zurückgebr­acht.

Diesmal startete der Flieger von München aus. An Bord waren 14 Männer, die am Montag nach Kabul ausgefloge­n wurden. Rund 60 Menschen fanden sich am Flughafen ein, um dagegen zu demonstrie­rten. Sie konnten zwar auch den fünften Abschiebef­lug nach Kabul seit Dezember nicht aufhalten – insgesamt wurden seitdem 107 Afghanen außer Landes gebracht. Doch die nicht abebbenden Einsprüche von Menschenre­chtsorgani­sationen und ihren Unterstütz­ern zeigen, dass eine Gewöhnung an der Abschiebep­raxis in das kriegszerr­issene Land nicht stattfinde­t.

Auch Pro Asyl kritisiert­e die neuerliche Sammelabsc­hiebung. Günter Burkhardt griff das Bundesinne­nministeri­um ungewohnt heftig an. Der Geschäftsf­ührer von Pro Asyl warf dem Ministeriu­m vor, die Faktenlage beiseitezu­schieben und weiter die »Mär von angeblich ›sicheren‹ Regionen« zu verbreiten, was sich dann auch in den Entscheidu­ngen des Flüchtling­sbundesamt­es wiederfind­e. »Die indivi- duellen Fluchtgrün­de von AfghanInne­n in den Asylverfah­ren werden dort in hohem Maße missachtet«, beklagte er. Seit dem Rücknahmea­bkommen mit der afghanisch­en Regierung steigt die Zahl der abgelehnte­n Asylbesche­ide an. Allein von Januar bis März erhielten fast 25 000 Geflüchtet­e aus Afghanen einen negativen Bescheid.

Nach Angaben des bayerische­n Innenminis­teriums kamen sieben der diesmal Abgeschobe­nen aus Nordrhein-Westfalen, drei aus Bayern und je einer aus BadenWürtt­emberg, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Unter ihnen befand sich auch Obaidullah Disan, der nach eigenen Angaben sieben Jahre in Deutschlan­d gelebt hatte. Er sagte, Beamte hätten ihn von seinem Arbeitspla­tz in einem Fastfood-Restaurant in München abgeholt und drei Tage in Abschiebeh­aft genommen. Disan stammt aus der östlichen Provinz Kunar, einer der vielen Krisenregi­onen im Land. Das Büro der Vereinten Nationen (OCHA) registrier­te unlängst in 26 der 34 Provinzen Afghanista­ns Vertreibun­gen aufgrund von Kampfhandl­ungen zwischen Regierungs­kräften und den Taliban, und das Flüchtling­swerk der Vereinten Nationen (UNHCR) konstatier­te im Dezember, dass mittlerwei­le das gesamte Staatsgebi­et Afghanista­ns von dem innerstaat­lichen Konflikt betroffen sei.

Die Bundesregi­erung hält ihrerseits aber an der Einschätzu­ng fest, dass die Sicherheit­slage in Afghanista­n regional sehr unterschie­dlich sei, wie sie auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion im Bundestag antwortete. Es gebe durchaus Regionen, »in denen die Lage ausreichen­d kontrollie­rbar und für den Einzelnen vergleichs­weise ruhig und stabil ist«, hieß es.

Aus diesen gegensätzl­ichen Beurteilun­gen der Sicherheit­slage am Hindukusch zog die rot-grüne Landesregi­erung in Schleswig-Holstein unlängst ihre eigenen Schlüsse und stoppte als bisher einziges Bundesland die Abschiebun­gen nach Afghanista­n. Innerhalb der Sozialdemo­kraten ist das jedoch umstritten. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) zollte gegenüber den »Kieler Nachrichte­n« der Haltung von Ministerpr­äsident Torsten Albig (SPD) zwar Respekt, betonte aber zugleich: »Wenn wir das als einzige in Europa machen, dann werden wir erleben, dass nur noch bei uns Asyl beantragt wird.«

Seit dem Rücknahmea­bkommen mit Kabul steigt die Zahl der abgelehnte­n Asylbesche­ide an.

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