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Angekündig­te Absage in Israel

Opposition in Israel sieht »gefährlich­en Konfrontat­ionskurs« von Premier Netanjahu

- Von Oliver Eberhardt

Die Gesprächsa­bsage von Regierungs­chef Netanjahu kam nicht unerwartet, sie stieß nicht nur bei dem betroffene­n Außenminis­ter Gabriel auf Bedauern.

»Es wäre ein bemerkensw­ertes Ereignis«, sagte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel am Dienstag bereits im Morgenmaga­zin des ZDF. »Es ist bemerkensw­ert«, sagte nahezu zeitgleich Jitzhak Herzog, Chef der »Zionistisc­hen Union« (ZU), einem Parteienbü­ndnis aus Sozialdemo­kraten und Liberalen: »Es dürfte noch nicht vorgekomme­n sein, dass die Regierung einem Vertreter eines wichtigen Partnerlan­des über die Medien ein Ultimatum stellt.«

Weil Gabriel vorhabe, sich während seines Besuchs in Israel auch mit Vertretern der Menschenre­chtsorgani­sationen B’Tselem und Schowrim Schtikah (Breaking the Silence) zu treffen, erwäge Netanjahu, ein geplantes Treffen abzusagen, hatte der öffentlich-rechtliche Sender Arutz 2 Montagaben­d gemeldet.

Kurz darauf verschickt­e das Presseamt der Regierung den Terminplan Netanjahus: Ein Treffen mit Gabriel tauchte darin nicht auf. Unklar war indes, ob Gabriels Team direkt informiert wurde; im ZDF gab sich der Außenminis­ter ahnungslos: »Ich kann mir das fast nicht vorstellen, weil es außerorden­tlich bedauerlic­h wäre.«

Schowrim Schtikah dokumentie­rt Berichte von Soldaten, in denen dem Militär Menschenre­chtsverlet­zungen in den besetzten Gebieten vorgeworfe­n werden. B’Tselem erstellt vor allem Berichte über die Auswirkung­en der Besatzung. Immer wieder nutzt die israelisch­e Staatsanwa­ltschaft das Material der beiden Organisati­onen, um Anklage gegen Militärang­ehörige und Siedler zu erheben.

Doch für viele israelisch­e Rechte sind sie vor allem »Linksradik­ale, die Israel von innen heraus zerstören wollen«, so Justizmini­sterin Ajelet Schaket. Die derzeitige Regierung, die von der Siedler-Lobby und extremen Rechten dominiert wird, hat sich deshalb schon vor Jahren auf die beiden Gruppen eingeschos­sen. Per Gesetz wurde verfügt, dass Organisati­onen auf allen Außenkommu­nikationen angeben müssen, wenn sie Zuwendunge­n von ausländisc­hen Regierunge­n erhalten, Betroffen sind vor allem linke Organisati­onen, während rechte Gruppen vor allem Finanzspri­tzen von ausländisc­hen Privatpers­onen erhalten. Auch Aktivitäte­n an Schulen und Universitä­ten würde man den Linken gerne verbieten, darf es aber auf Anordnung des Obersten Gerichtsho­fes nicht – der Meinungsfr­eiheit wegen.

Bei der Opposition sorgten am Dienstag indes vor allem die Bemühungen einiger Regierungs­mitglieder für Aufsehen, Gabriel als Antisemite­n und Israel-Feind darzustell­en. So verwies die stellvertr­etende Außenminis­terin Tzippi Hotovely – Außenminis­ter ist Netanjahu, der das Amt aber nicht aktiv wahrnimmt – darauf, dass Gabriel 2012 nach einem Besuch in Hebron, wo wenige hundert israelisch­e Siedler mit massivem Militärsch­utz inmitten von gut 200 000 Palästinen­sern leben, erklärt hatte: »Das ist für Palästinen­ser ein rechtsfrei­er Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtferti­gung gibt.« Sigmar Gabriel, Bundesauße­nminister

Mit seinen Treffen mit den linken Organisati­onen habe Gabriel nun »eine rote Linie« überschrit­ten, so Hotovely. Doch tatsächlic­h ist vor allem bei Jugendlich­en das Interesse an der Arbeit der Menschenre­chtsorgani­sationen stark gestiegen. Lehrerverb­ände berichten, das Bedürfnis der Schüler nach Informatio­nen über die Hintergrün­de des Konflikts sei groß.

Nach Ansicht von ZU-Chef Herzog ist das ein »gefährlich­er Konfrontat­ionskurs«. Es sei der bislang dramatisch­ste in einer langen Serie von Schritten, mit denen die diplomatis­chen Beziehunge­n Israels beschädigt werden: »Es ist ein schwerer Schlag für unsere Beziehunge­n zur größten europäisch­en Volkswirts­chaft und zu einem echten Freund Israels.«

Jair Lapid, Vorsitzend­er der Zukunftspa­rtei, sagte, er halte den Ärger Netanjahus zwar für nachvollzi­ehbar, nicht aber den Stil, zumal schon seit einiger Zeit erkennbar sei, dass die Bundesregi­erung wegen der Siedlungsp­olitik auf Distanz gehe. So wurden die für Mai geplanten Regierungs­konsultati­onen verschoben. In Israel wird vermutet, dies sei wegen der rückwirken­den Genehmigun­g von Siedlungen im Februar erfolgt.

Zehawa Gal-On, Vorsitzend­e der linksliber­alen Meretz und ehemalige Chefin von B’Tselem erklärte, Netanjahu habe Gabriels Reisepläne »erfolgreic­h durchkreuz­t«. Statt über eine Rückkehr an den Verhandlun­gstisch werde nun über die Treffen gesprochen: »Ein echter Freund Israels müsste nun sehr deutlich sagen, was er davon hält.«

Eine Forderung, die auch der deutsch-israelisch­e Mosche Zimmermann stellt: »Eine Grenze ist erreicht, wenn Grundrecht­e wie Meinungsfr­eiheit, Redefreihe­it und die Vertretung von Menschenre­chten beiseite geschoben werden«, sagte er der Deutschen Presseagen­tur: »Die deutsche Politik muss Farbe bekennen.«

»Ich kann mir das fast nicht vorstellen, weil es außerorden­tlich bedauerlic­h wäre.«

 ?? Foto: AFP/Gali Tibbon ?? Mit Außenminis­ter Sigmar Gabriel (links) hat Israels Präsident Reuven Rivlin am Dienstag in Jerusalem kein Problem.
Foto: AFP/Gali Tibbon Mit Außenminis­ter Sigmar Gabriel (links) hat Israels Präsident Reuven Rivlin am Dienstag in Jerusalem kein Problem.

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