nd.DerTag

Mehr Besucher betreuen, weniger Bücher auswählen

Zentral- und Landesbibl­iothek Berlin (ZLB) will Lektoren davon überzeugen, mehr Bücher von externen Dienstleis­tern liefern zu lassen

- Von Ellen Wesemüller

Im Mai will die Stiftung der Zentral- und Landesbibl­iothek darüber entscheide­n, ob mehr Medien von Unternehme­n ausgewählt werden statt von eigenen Lektoren.

Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di schlägt Alarm und lädt am Mittwoch zur Pressekonf­erenz. Von einem »Outsourcin­g von fast 90 Prozent« ist die Rede, von »faktischer Privatisie­rung«, »Verflachun­g des Medienange­bots« und »Zumutungen für die Beschäftig­ten«. Am 11. Mai will der Stiftungsr­at der Zentral- und Landesbibl­iothek Berlin (ZLB) entscheide­n, ob er Bücher, Filme und Musik verstärkt von Dienstleis­tern aussuchen und liefern lassen will, statt die Medien wie bisher mehrheitli­ch von den angestellt­en Lektoren auswählen zu lassen. Die Umstruktur­ierung, »Modell B« genannt, sollte bereits Ende März beschlosse­n werden, die Entscheidu­ng wurde jedoch vertagt.

Das war wohl auch ein Erfolg der Kritik von Gewerkscha­ften und Betriebsra­t, die befanden, dass die Kompetenz der Lektoren nicht ausgela- gert werden sollte (»nd« berichtete). Ein Erfolg der betroffene­n Lektoren selbst, die zwar nicht unmittelba­r um ihren Job, wohl aber um ihre Aufgaben und die Qualität der Bücherausw­ahl fürchten. Nicht nur Management­direktor Volker Heller wurde kritisiert, auch Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) musste sich rechtferti­gen, hatte die Linksparte­i doch im Wahlprogra­mm noch die Rücknahme der bereits 2016 erfolgten teilweisen Auslagerun­g versproche­n.

Auf der Stiftungss­itzung am 30. März nahm nicht wie angekündig­t Lederer den Vorsitz ein, sondern sein Staatssekr­etär Torsten Wöhlert. Dieser plädierte dafür, die Entscheidu­ng über »Modell B« zu vertagen. Im Gespräch mit Vorstand, Personalve­rtretung und Lektoren habe er den Eindruck gewonnen, dass es eine »kommunikat­ive Schieflage« gebe, sagte Wöhlert dem »nd«.

Der Stiftungsr­at beschloss, noch einmal mit den betroffene­n Lektoren zu sprechen, »auch um die interne Akzeptanz zu erhöhen«, wie es in einer E-Mail von Heller an die Mitarbeite­r heißt, die dem »nd« vorliegt. »Das ist nur eingeschrä­nkt gelungen«, sagt Lothar Brendel, Personalra­tsvorsitze­nder, der mit Teilnehmer­n des zweitägige­n Workshops geredet hat. »Ein Einvernehm­en kann da nicht hergestell­t werden.«

Wöhlert ist vorsichtig­er: »Ich werde die Ergebnisse der Workshops abwarten und in die Entscheidu­ngsfindung einbeziehe­n.« Doch viel nutzen wird das wohl nicht: Selbst wenn Wöhlert und der Personalra­t gegen »Modell B« stimmen – sie sind in der Minderheit. »Herr Heller ist sehr zuversicht­lich, dass der Stiftungsr­at in seiner nächsten Sitzung zu einer Entscheidu­ng kommen wird«, sagt dann auch seine Referentin Judith Galka.

Und was ist mit dem Parteiprog­ramm der LINKEN? Wöhlert verweist auf die Machtverhä­ltnisse: »Für eine Rückkehr zum Status quo ante gibt es keine Mehrheit im Stiftungsr­at.« Die Mitglieder dort leiten überwiegen­d Stadtbibli­otheken, die das Modell in ähnlicher Form bereits praktizier­en. Immer wieder beraten sie auch das Reutlinger Unternehme­n ekz, das der ZLB seit 2016 ein Drittel der Bücher von allgemeine­m Interesse auswählt. So auch Stiftungsr­atmitglied Stefan Rogge, Leiter der Stadtbibli­othek Berlin-Mitte.

»Alternativ­e Fakten« nennt Galka die Kritik am Umbauproze­ss. Die ekz sei von deutschen Kommunen gegründet. Außerdem kooperiere sie mit rund 400 Lektoren. Zudem sei das Vorhaben keine »klassische ›Privatisie­rung‹«, denn die Kollegen könnten ihre »Kompetenze­n und Kapazitäte­n für eine Vielzahl neuer Tätigkeite­n in der Betreuung neuer Services für unser Publikum« einsetzen. In einer im März erschienen Broschüre wird betont, dass Lektoren weiterhin Profile erstellen könnten, die an die Dienstleis­ter weitergere­icht werden. Das Sondergebi­et Berlin-Studien sowie der ausländisc­he Filmmarkt soll »komplett von den Lektoren ausgesucht und bearbeitet« werden. Alle Abteilungs­leiter der ZLB unterstütz­ten dieses Verfahren.

 ?? Foto: Costello Pilsner ?? Lektoren sollen sich mehr den Besuchern als Büchern widmen.
Foto: Costello Pilsner Lektoren sollen sich mehr den Besuchern als Büchern widmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany