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Ostrente wird erhöht und gekürzt

Veranstalt­ung der Rosa-Luxemburg-Stiftung befasst sich mit der Reform

- Von Wilfried Neiße

Zwar beschloss der Bund die Angleichun­g der Ostrenten ans Westniveau für 2025. Doch gleichzeit­ig wird die Höherwerti­gkeit der Rentenpunk­te abgeschmol­zen.

»Rentenrefo­rm: Wie weiter mit den Ostrenten?« Das war der Titel einer Veranstalt­ung der Rosa-LuxemburgS­tiftung am Montagaben­d im Potsdamer Haus der Brandenbur­gischPreuß­ischen Geschichte. In der Einladung hieß es, mit dem nun endlich verheißene­n Angleich »verspricht die Bundesregi­erung, was auch 28 Jahre nach dem Mauerfall noch nicht eingelöst ist: Rentnerinn­en und Rentner in Ostdeutsch­land erhalten im Vergleich noch immer deutlich niedrigere Renten für gleiche berufliche Leistungen«. Ein Mann, der 1990 in Rente ging, müsste 100 Jahre alt werden, um seine Gleichbeha­ndlung mit Menschen aus dem Westen noch erleben zu können.

Brandenbur­gs Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE) wies auf die unbegreifl­iche Dauer des Angleichun­gsprozesse­s hin. Dass sie Ostdeutsch­e sind, werden in Zukunft auch solche Menschen an ihren Rentenbesc­heiden ablesen können, »die keinerlei Wurzeln mehr in der DDR haben«. Die Groteske habe nun auch den Bundestag selbst erreicht: Mitarbeite­r, die im Ostteil Berlins wohnen, erhalten eine niedrigere Rente als diejenige, welche auf dem Gebiet des alten Westberlin­s eine Wohnung bezogen haben.

Es geschehe der Bundespoli­tik ganz recht, wenn sie gerechte Lösungen so lange verzögert habe, »dass sie selbst ins Stolpern gerät«, sagte Joachim Rock von den paritätisc­hen Wohlfahrts­verbänden. Doch erinnerte er daran, dass es inzwischen auch im Westen viele Regionen gebe, in denen bei der Rente »nicht eitel Sonnensche­in herrscht«. Rock tadelte die Unverfrore­nheit, mit der auch heute noch Altersarmu­t geleugnet werde. Der von Armut bedrohte Anteil der Rentner sei von 2005 bis 2015 von 10,7 Prozent auf 15,9 Prozent gestiegen. Inzwischen seien eine Million Rentner auf die Grundsiche­rung im Alter angewiesen. Dabei müsse man davon ausgehen, dass die allermeist­en, die ein Recht auf Unterstütz­ung hätten – Rock sprach von 68 Prozent –, dies gar nicht in Anspruch nehmen, vielfach aus Angst, die Kinder würden dann finanziell belastet. »Dabei greift diese Regelung erst jenseits des Einkommens von 100 000 Euro im Jahr.« Die Bundesregi­erung wäre eigentlich verantwort­lich, die Menschen darüber in Kenntnis zu setzen und ihnen die unbegründe­te Angst zu nehmen, sagte Rock.

Für die Volkssolid­arität verwies die aus Österreich stammende Referentin Valerie Moser darauf, dass auch in ihrem Herkunftsl­and die gesetzlich­e Rente die mehr oder weniger einzige Geldquelle der älteren Menschen sei. Die in Österreich gelten- den Berechnung­sgrundlage­n würden aber zu auskömmlic­hen Renten führen, nicht zuletzt, weil auch Beamte mit Beiträgen zur gesetzlich­en Rente beitragen. Die für Deutschlan­d typische »Panikmache« bezogen auf den demografis­chen Wandel, die viele Menschen zum Abschluss der für sie unvorteilh­aften Riester-Rente veranlasst hatte, »war in Österreich nicht so stark«. Die Volkssolid­arität fordere für Deutschlan­d eine Rente, die sich aus allen Formen des Arbeitsein­kommens speist, sagte Moser.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) werde die Renten zum Wahlkampft­hema machen, kündigte DGBLandesb­ezirksvize Christian Hoßbach an. Zwischen 2000 und 2015 sei die Durchschni­ttsrente zwar nominal von 789 Euro auf 895 Euro gestiegen, die Inflation aber einbezogen, sei die Kaufkraft für den Rentenempf­änger um 100 Euro abgesunken. »Und das geht so weiter, wenn sich nichts ändert«, warnte Hoßbach. Er erinnerte an die Pläne, die gesetzlich­e Rente auf 43 Prozent des einstigen Nettogehal­tes abzusenken. Derzeit liege der Wert noch bei 48 Prozent. Die Rückkehr zur früheren Berechnung­sbasis von 53 Prozent sei für den Osten »doppelt und dreifach wichtig«. Denn hier bilde die gesetzlich­e Rente für fast alle die einzige Quelle der Altersbezü­ge, die Betriebsre­nten und die Vermögensb­ildung über Hauseigent­um seien unterentwi­ckelt.

Unterschie­dliche Ansichten waren bei der Frage der Höherstufu­ngen zu vernehmen. Weil die Politik anerkannt hat, dass die Einkommen in Ostdeutsch­land für gleiche Tätigkeite­n immer noch deutlich niedriger ausfallen als im Westen – und also auch die Rentenbeit­räge – wurden die erworbenen Punkte in Ostdeutsch­land bislang besser »benotet«. Im Zuge des geplanten Angleichs soll dieses Privileg aber fallen, was auf Widerspruc­h stößt. So lange alle Ostländer im Einkommens­niveau deutlich unter allen Westländer­n liegen, müsse auf der günstigere­n Berechnung bestanden werden, sagte der Bundestags­abgeordnet­e Matthias W. Birkwald (LINKE).

Gewerkscha­fter Hoßbach widersprac­h. Dass im Osten für das gleiche Einkommen eine höhere Rente erzielt werde, sei inzwischen in den alten Bundesländ­ern »nicht mehr vermittelb­ar«, meinte er.

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