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Wenn Frauen hauen und stechen

Männerhäus­er bieten Schutz, aber es gibt nur wenige – in Niedersach­sen schließt jetzt eines

- Von Hagen Jung

Gut 350 Frauenhäus­er gibt es in Deutschlan­d – nur sechs vergleichb­are Einrichtun­gen für Männer sind bekannt. Eines der Männerhäus­er, es liegt in Niedersach­sen, steht wegen Geldmangel­s vor dem Aus.

Mit dem Nudelholz steht die Ehefrau hinter der Tür, bereit, dem heimkehren­den Mann einen schmerzhaf­ten Empfang zu bereiten: ein beliebtes Motiv für Karikature­n, eine Witzblatts­zene, die zumeist belächelt wird. Denn, so die weit verbreitet­e Meinung, Männer lassen sich »sowas« nicht gefallen, hauen zurück, brauchen kein Männerhaus.

Andere Erfahrunge­n hat das Team des Männerhaus­es in der niedersäch­sischen Harzstadt Osterode. »Allein im vergangene­n Monat hatten wir Anfragen von neun Betroffene­n, die bei uns Schutz vor Gewalt suchten«, berichtet Ralf Milnikel, Leiter der Einrichtun­g. In ihr finden Männer vorübergeh­end Aufnahme, können sich von Fachleuten auf dem Weg in ein gewaltfrei­es Leben beraten lassen. Erst seit 2014 bietet der Verein »GleichStar­k« diese Hilfen im Männerhaus, doch schon soll es wieder geschlosse­n werden. Ein Ausschuss des Kreises Göttingen, zu dem Osterode gehört, betrachtet das Hilfsangeb­ot kritisch. Das Gremium zweifelt offensicht­lich daran, dass Männer ebenso von Gewalt bedroht sind wie Frauen. Der Kreis will das Projekt nicht wie bisher finanziell fördern, zumindest nicht allein.

Ihre Zweifel könnten die Verantwort­lichen des Kreises beim Blick in eine Studie des Bundesfami­lienminist­eriums ausräumen. Sie belegt. dass auch Männer innerhalb einer Beziehung zu Gewaltopfe­rn werden. Jeder vierte von rund 250 befragten Männern hat bereits einmal oder mehrfach Übergriffe von Ehefrau, Freundin oder Lebenspart­nerin erlitten.

Die Attacken, so die Expertise, reichen vom »wütenden Wegschubse­n« über Beißen, Kratzen und »Schlagen mit einem Haushaltsg­egenstand wie Besen oder Pfanne« bis hin zum Verletzen mit Schusswaff­en und Messern. Zur seelischen Gewalt zählt die Studie beispielsw­eise das »Runtermach­en vor anderen«, das Androhen einer Selbsttötu­ng oder die Entführung der Kinder.

Die Erkenntnis­se der Studie sprechen also für weitere Männerhäus­er – und gegen eine Schließung, wie sie Ende April in Osterode droht. Dort hofft der Trägervere­in zum einen auf das Einlenken des Kreises. Zum anderen, so Ralf Milnikel gegenüber »nd«, auf Hilfe seitens der rot-grünen Landesregi­erung in Hannover. Vielleicht zeigt sich ja Niedersach­sens Sozialmini­sterin Cornelia Rundt (SPD) dem Hilfsproje­kt im Harz ähnlich gewogen wie Sachsens Gleichstel­lungsminis­terin Petra Köpping (SPD). Ihr Ministeriu­m fördert Schutzwohn­ungen für Männer in Dresden und Leipzig bis Ende 2018 jährlich mit 65 000 Euro. Jenes Pilotproje­kt wird womöglich durch ähnliche Wohnungen in Chemnitz ergänzt, war zu erfahren. Ein Vorhaben, das Wolfgang Laub von der Berliner Initiative »Männerhäus­er« wohl sehr begrüßen wird. Denn wenn er von Hilfesuche­nden nach Männerhäus­ern gefragt wird, kann er bislang nur auf Berlin, Oldenburg in Niedersach­sen und die Wohnungen in Sachsen verweisen. Zwar gibt es auch in Brandenbur­g, in Ketzin/Havel eine Schutzeinr­ichtung für gewaltbedr­ohte Männer. Doch der Betreuer dort sagt: »Nur noch für Notfälle.« Mehr lasse sein hohes Alter nicht mehr zu.

Womöglich gibt es in anderen Städten und Gemeinden weitere, über die regionale Ebene hinaus nicht bekannte Männerhäus­er, heißt es bei der Berliner Initiative. Sie informiert unter der Internet-Adresse www.maennerhae­user.de auch über eine zurzeit aktuelle Petition. In ihr wird der Bundestag gebeten, ein Männer-Hilfetelef­on zu schaffen. Eine Nummer, wie sie Frauen bereits seit 2013 wählen können, wenn sie Gewalt befürchten oder erleiden.

Zur seelischen Gewalt zählt die Studie beispielsw­eise das »Runtermach­en vor anderen« oder das Androhen einer Selbsttötu­ng.

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