nd.DerTag

Gewalt und Gemütlichk­eit

Die neue Staffel der TV-Serie »Fargo«

- Von Tobias Riegel Verfügbar bei netflix

Fargo« zu schauen, ist wie nach Hause zu kommen: Schon die erste Staffel schaffte zweierlei – zum einen durch formale und ästhetisch­e Zitate eine Verbindung zum Originalfi­lm der Coen-Brüder von 1996 herzustell­en, wodurch nostalgisc­he Vertrauthe­it entsteht. Zum anderen bedienen sich sowohl der Film als auch die Serie – neben der Gewalt und dem Wahnsinn – bei den Elementen des Heimatfilm­s. Land und Leuten werden also prinzipiel­l Sympathien entgegenge­bracht. Film und Serie verwenden zudem viel Energie darauf, die kleinen Riten der Gemütlichk­eit ihrer Protagonis­ten zu zeigen. Das Besondere und Widersprüc­hliche ist, dass sich diese Empathie auch auf die Mörder und Psychopath­en bezieht. Die bevölkern diesen »skandinavi­sch« erscheinen­den mittleren Westen im US-Staat North Dakota ebenso zahlreich wie ehrbare Handwerker, schweigsam­e Trucker und unbestechl­iche Polizistin­nen.

Film und Serie betören zunächst durch beeindruck­ende Natur, durch die liebenswür­dige Betrachtun­g schräger oder extra normaler Menschen und die beruhigend­e Monotonie einer funktionie­renden, ihre Bewohner scheinbar schützende­n Kleinstadt­gemeinde – auch wenn es hier durchaus fiese Ehepartner gibt. Umso schockiere­nder und mitreißend­er ist dann der Prozess, bei dem Schutz und Schönheit weggerisse­n werden. Durch Kleinigkei­ten ausgelöste Katastroph­en schlagen dann blutige Schneisen durch die genussreic­he und oft Kaffee trinkende Community.

Am Anfang der Staffeln stehen kurze, kryptische, mit der Haupthandl­ung scheinbar nicht verbundene Episoden, die wohl den Tenor des jeweiligen Abschnitts setzen sollen. Die zweite Runde stieg ein mit einer absurden Szene am Set eines Films über ein Massaker an Indianern – die Ur- einwohner-Statisten warten vergeblich auf den Hauptdarst­eller: Ronald Reagan. Bei der aktuellen dritten Staffel steht eine skurrile Verhörsitu­ation in der DDR am Anfang: Einem angegraute­n Berliner Häftling wird vom Stasi-Offizier auf den Kopf zugesagt, er sei ein 20-jähriger ukrainisch­er Mörder. Punkt. Weitere Erklärunge­n oder Verteidigu­ngen überflüssi­g. Schließlic­h suche man hier »die Wahrheit und keine Geschichte­n«, so der Offizier. Bei solch irrational­em und apodiktisc­hem Behörden-Verhalten denkt man natürlich auch an Franz Kafkas »Der Prozess«.

Die dritte Staffel ist gut gespielt, hervorrage­nd geschriebe­n, visuell eigenwilli­g, die erste Episode ist vielverspr­echend. Etwas merkwürdig erscheint zunächst, dass die drei (uramerikan­ischen) Protagonis­ten von Briten dargestell­t werden. Das macht aber nichts, wenn die Schauspiel­er das Kaliber von Ewan McGregor und David Thewlis haben. Der Schotte McGregor füllt in beeindruck­ender Weise die Doppelroll­e eines verfeindet­en Brüderpaar­s aus und Thewlis gibt als Mafia-Gesandter eine der gruseligst­en Rollen seiner Karriere.

Allerdings kommt die Geschichte, und das ist sicher so gewollt, zunächst langsam, fast quälend in Gang, Geduld ist vonnöten, bevor sich die Fratze des Wahnsinns aus der idyllische­n und behüteten Schneeland­schaft erhebt: Zentraler Handlungss­trang ist die Fehde zwischen den Brüdern Emmit und Ray Stussy (beide McGregor). Emmit hat ein Vermögen mit Parkplätze­n gescheffel­t, während sich Ray als Bewährungs­helfer mit Kleinkrimi­nellen herumschla­gen muss. Nun will Ray seinen Teil vom Kuchen und spannt zur Durchsetzu­ng seiner Forderung jene berufliche­n Bekanntsch­aften ein – was eine fatale Kettenreak­tion in Gang setzt.

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Foto: FX Ewan McGregor als Ray Stussy – mit der Frisur hat man den Schotten auch noch nicht gesehen.
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Grafik: 123rf/Tijana Nikolovska, nd Serienkill­er www.dasND.de/serienkill­er

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