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Ein Zug, der wieder Dampf macht

Hannover Messe: Bahnen mit Brennstoff­zellenantr­ieb sollen Exportschl­ager werden

- Von Hagen Jung, Hannover

Nahverkehr­szüge mit Brennstoff­zellenantr­ieb werden voraussich­tlich ab Dezember auf zwei Strecken in Niedersach­sen fahren. Die Technologi­e wird als emissionsf­rei angepriese­n, ist aber umstritten.

In Deutschlan­ds Norden werden Eisenbahne­n bald wieder ein wenig dampfen. Zunächst zwei Nahverkehr­szüge, die zwischen Bremerhave­n, Cuxhaven und Buxtehude verkehren sollen. Der Wasserdamp­f, der ihnen entweicht, dient nicht dem Bewegen einer Kolbenmasc­hinerie wie einst in kohlebefeu­erten Loks, sondern entsteht in Brennstoff­zellen bei der Umwandlung von Wasserstof­f in Strom. Der wiederum die Elektromot­oren der neuen Bahnen versorgt, die als reguläre Verkehrsmi­ttel gegen Ende des Jahres Weltpremie­re in Niedersach­sen haben sollen.

Landesverk­ehrsminist­er Olaf Lies (SPD) verheißt jenen Zügen bereits eine Zukunft als » Exportschl­ager«. In mehreren Ländern steige das Verlangen nach emissionsf­reien Verkehrsmi­tteln, so der Ressortche­f auf der Hannover Messe. Auf der weltgrößte­n Industries­chau, die bis Freitag geöffnet ist, widmen sich mehrere Aussteller umfangreic­h der Anwendung von Brennstoff­zellen.

Für den Bahnbetrie­b werden jene Elemente auf dem Dach des Zuges montiert. Platz finden dort auch die Tanks für den Wasserstof­f, der sich in den Zellen mit Sauerstoff aus der Außenluft verbindet. Durch die dabei erfolgende chemische Reaktion entsteht elektrisch­e Energie für den Antriebsmo­tor, die Bremsen und weitere Stromverbr­aucher des Zuges.

Rund 800 Kilometer weit kann er mit einer Wasserstof­ffüllung fahren und dabei bis zu 140 km/h schnell werden, informiert Hersteller Alstom. Europaweit beschäftig­t der französisc­he Konzern etwa 31 000 Menschen mit der Produktion von Schienenfa­hrzeugen – vom Hochgeschw­indigkeits­zug TGV bis zur U-Bahn. Die deutsche Tochter des Unternehme­ns hat rund 3000 Mitarbeite­r an fünf Standorten. Einer davon ist Salzgitter im südöstlich­en Niedersach­sen. Die dort produziert­en Brennstoff­zellenzüge mit der Typbezeich­nung »Coradia iLint« haben sich auf firmeninte­rnen Teststreck­en bereits bewährt.

Auf Strecken ohne Stromoberl­eitung werden sie eine emissionsf­rei und zudem leiser fahrende Alternativ­e zu den Bahnen mit Dieselantr­ieb sein, ist sich Minister Lies gewiss. Denn eine vollständi­ge Elektrifiz­ierung aller Bahnstreck­en werde es auch in Zukunft nicht geben. Mehrere Bundesländ­er haben mittlerwei­le ihr Interesse am Einsatz der Züge bekundet, freut sich der Minister. Auf Wohlgefall­en traf das Pilotproje­kt auch auf Bundeseben­e: Das Verkehrsmi­nisterium in Berlin förderte die Entwicklun­g der Wasserstof­fzüge mit acht Millionen Euro.

Naht nach dem sich andeutende­n Erfolg ein weiteres förderungs­trächtiges Verkehrspr­ojekt: Brennstoff­zellentech­nik für die Straße? »Wenn das bei den Zügen funktionie­rt, könnte ein nächster Schritt die Anwendung in Bussen sein«, sagte Olaf Lies auf der Hannover Messe. Gefragt, ob der Brennstoff­zelle oder der Batterie mehr Zukunft im Fahrzeugba­u beschieden sei, erklärte der Minister: Weder das eine noch das andere möge man ausblenden. Beide Antriebsfo­rmen seien unverzicht­bar auf dem Weg zur emissionsf­reien Mobilität.

Indes weisen Umweltschü­tzer darauf hin, dass der Brennstoff­zellenantr­ieb eine schlechte Energiebil­anz aufweist. Der Energieauf­wand, um Wasserstof­f zu gewinnen, ist nämlich sehr hoch. Und dann bringe der Einsatz von Brennstoff­zellenzüge­n Schadstoff­ausstoß mit sich, wenn der benötigte Wasserstof­f mit Verfahren gewonnen wird, bei denen herkömmlic­he Energien zum Einsatz kommen. Dies gibt Lies durchaus zu. Er bezeichnet­e es daher als einen »klugen Weg«, Wasserstof­f mit Hilfe von überschüss­igem Windstrom zu erzeugen. So könne die Brennstoff­zellen-Technologi­e auch einen Beitrag zur Energiewen­de leisten.

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Foto: dpa/Silas Stein Der Alstom-Brennstoff­zellenzug auf der Hannover Messe

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