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Dobrindt-Maut gefährdet dänische Tunnelplän­e

Das Projekt der Festen Fehmarnbel­tquerung könnte sich nun endgültig als unrentabel erweisen

- Von Dieter Hanisch, Kiel

In Dänemark ist man sauer wegen der deutschen Pkw-Maut. Sie ist nämlich auch schlecht für den geplanten Fehmarnbel­ttunnel, denn der Verkehr dürfte weit geringer ausfallen als bisher veranschla­gt.

In Dänemark ist man nicht gut auf die von der Großen Koalition in Deutschlan­d verabschie­deten Einführung einer Pkw-Maut zu sprechen. Eine der Folgen: Das staatsvert­raglich vereinbart­e Tunnelproj­ekt der Festen Fehmarnbel­tquerung gerät in Misskredit, da potenziell­e dänische Nutzer doppelt zur Kasse gebeten werden würden. Sie müssten nämlich nicht nur die obligatori­sche Tunnelmaut bezahlen, sondern ab Mitte der Röhre auf deutscher Seite auch die vorgesehen­e Autobahnnu­tzungsabga­be.

Die Mautpläne aus dem Verkehrsmi­nisterium von Minister Alexander Dobrindt (CSU) dürften sich daher massiv auf den dänisch-deutschen Grenzverke­hr auswirken. Viele Skandinavi­er begeben sich gerne zum Shopping-Tagestrip nach Deutsch- land und kombiniere­n ihren Ausflug mit einem touristisc­hen Sightseein­gProgramm. Wenn die Preiserspa­rnis beim günstigere­n Einkauf in Deutschlan­d die Reisekoste­n künftig aber nicht amortisier­t, lohnt sich die Fahrt nicht mehr. Das träfe natürlich auch auf die Verbindung von Lolland nach Fehmarn und weiter in den Raum Ostholstei­n und Lübeck zu. Die Nutzerzahl­en dürften einbrechen, so die Befürchtun­g in Kopenhagen. Die bisher kalkuliert­e Refinanzie­rung über die Tunnelmaut wäre Makulatur. Der staatliche Projektträ­ger Femern A/S müsste eine völlig neue Rentabilit­ätsrechnun­g aufstellen. Die Regierung ist sauer wegen des deutschen Pkw-Maut-Alleingang­es, da sich Dänemark verpflicht­et hat, die gesamten Tunnelbauk­osten des Fehmarnbel­tprojektes zu tragen.

Der Verkehrsex­perte Knud Erik Andersen, der viele Jahre als leitender Beamter der obersten dänischen Straßenbeh­örde tätig war, erwartet, dass die Pkw-Tunnelnutz­erzahlen um 20 Prozent niedriger ausfallen werden als bisher veranschla­gt. Dies ist beileibe keine Einzelmein­ung. Der schleswig- holsteinis­che CDU-Landtagsab­geordnete Hans-Jörn Arp legte jetzt eine eigene Rechnung vor: Für die Tunnelpass­age wären mindestens 65 Euro fällig, hinzu käme eine ZehntagesV­ignette in Höhe von rund 25 Euro als Autobahnnu­tzungsgebü­hr.

Die aufgekomme­ne Kosten-Nutzen-Diskussion zum geplanten Fehmarnbel­ttunnel lässt die Reederei Scandlines frohlocken, die auf der Route zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødbyhavn auf Lolland eine Fährlinie betreibt und die Konkurrenz einer festen Querung fürchtet. Scandlines hat von Anfang an bekräftigt, auch nach einer Tunneleröf­fnung seinen Fährservic­e aufrechtzu­erhalten. Und bereits jetzt steht fest: Die Dobrindt-Maut entfällt für Autofahrer bei der Fährpassag­e, denn die Zufahrt auf deutscher Seite ist eine Bundesstra­ße und keine Autobahn.

Die Tunnelgegn­er auf deutscher Seite gehen nun davon aus, dass die weit verbreitet­e Zustimmung zu dem Megaprojek­t auf dänischer Seite nun bröckeln dürfte, denn auch der dortige Steuerzahl­er kennt Schmerzgre­nzen. Im Nachbarlan­d gibt es längst ein verabschie­detes Baugesetz. Nach und nach auslaufend­e Vorverträg­e mit Baukonsort­ien wurden bereits vorauseile­nd abgeschlos­sen, obwohl es auf deutscher Seite noch nicht einmal einen Planfestst­ellungsbes­chluss für die Zubringers­trecken gibt. Der müsste im Übrigen auch noch einer höchstrich­terlichen Prüfung vor dem Bundesverw­altungsger­icht standhalte­n, haben Umweltverb­ände doch bereits ihren Gang nach Leipzig angekündig­t. Im Kieler Verkehrsmi­nisterium geht man davon aus, dass vor Sommer 2020 kein Bagger rollen wird. Damit befindet sich Dänemark längst nicht mehr im ursprüngli­ch eingepreis­ten Zeitfenste­r für EU-Fördergeld­er. Bevorstehe­nde Vertragsst­rafen an Baufirmen erhöhen zudem das Volumen des benötigten Projektbud­gets.

»Wie tief will Dänemark denn noch in seine Tasche greifen?«, fragt Karin Neumann, Sprecherin des Tunnelgegn­er-Bündnisses »Beltretter«. Sie appelliert daher an die Verantwort­lichen im Nachbarlan­d: »Es wird Zeit, dass die Dänen die Reißleine für das gesamte Vorhaben ziehen.«

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