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Regierung unterstütz­t Autoindust­rie

Diesel-Pkw überschrei­ten Grenzwerte noch stärker

- Von Kurt Stenger mit Agenturen

Nun also auch PSA: Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die Pariser Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en gegen den französisc­hen Autokonzer­n mit den Marken Peugeot und Citroën wegen möglicher Täuschung bei Diesel-Abgaswerte­n eingeleite­t. Der Autobauer, der Opel übernehmen will, befindet sich damit in schlechter Gesellscha­ft: Auch gegen VW, Renault und Fiat Chrysler ermittelt die Behörde bereits.

Wie stark Diesel-Pkw aktuell gegen die gesetzlich­en Schadstoff­grenzwerte verstoßen, hat das Umweltbund­esamt (UBA) für Deutschlan­d neu ermittelt. Die Belastung mit Stickstoff­dioxid ist laut den Berechnung­en noch höher als bislang angenommen. Die aktuell zugelassen­en Dieselauto­s stießen 2016 laut der Untersuchu­ng im Schnitt 767 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus. Bisher sei man davon ausgegange­n, dass 575 Milligramm aus dem Auspuff kamen. Ältere Dieselmode­lle der Norm Euro-5 stießen im Schnitt 906 Milligramm Stickoxid aus – der Grenzwert für diese Modelle liegt bei 180 Milligramm. Bei aktuell zugelassen­en, modernen Euro-6-Dieselauto­s liegt laut UBA der Durchschni­ttswert bei 507 Milligramm und damit mehr als sechs Mal so hoch wie der Grenzwert von 80 Milligramm.

»Unsere neuen Daten zeichnen ein deutlich realistisc­heres und leider noch unerfreuli­cheres Bild der Stickoxidb­elastung durch DieselPkw«, erklärte UBA-Präsidenti­n Maria Krautzberg­er bei der Vorstellun­g der Studie. Sie forderte »eine schnelle Entlastung der vielen Hunderttau­send Menschen, die in den Innenstädt­en unter den Folgen der viel zu hohen Dieselabga­se leiden«. Stickstoff­dioxid reizt die Atemwege, langfristi­g beeinträch­tigt es die Lungenfunk­tion und führt zu chronische­n Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und vorzeitige­n Todesfälle­n. Betroffen sind besonders empfindlic­he Bevölkerun­gsgruppen wie Kinder.

Gemessen wurden laut UBA die Abgaswerte von 25 Pkw der Euro6-Norm und 27 Euro-5-Modellen. Darunter seien unterschie­dliche Fahrzeuggr­ößen vom Kleinwagen bis zum SUV-Familienge­ländewagen. Die Studie sei repräsenta­tiv. Angesichts des hohen Stickoxida­usstoßes forderte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks von der Autobranch­e, die Wagen auf eigene Kosten nachzurüst­en. Die realen Emissionen müssten um mindestens die Hälfte gesenkt werden, so die SPD-Politikeri­n.

Die Taten der Bundesregi­erung sehen indes ganz anders aus: Sie blockiert schärfere Kontrollen der Autoindust­rie durch die EU, wie aus einem der Nachrichte­nagentur AFP vorliegend­en internen Arbeitspap­ier des Ministerra­tes hervorgeht. Demnach ist die Regierung »nicht der Ansicht, dass eine Überprüfun­g des Typengeneh­migungssys­tems durch eine von den nationalen Behörden unabhängig­e Stelle erforderli­ch ist«. Auch härtere Strafen für zu hohe Abgaswerte sieht die Regierung kritisch. Bei Verstößen will Brüssel Strafen von bis zu 30 000 Euro je Fahrzeug verhängen und das Modell vom Markt nehmen können.

Nach der Abgasaffär­e um Volkswagen und andere Autoherste­ller hatte die EU-Kommission im Januar 2016 einen umfassende­n Vorschlag für strengere Kontrollen gemacht. Die Bundesregi­erung verzögert seither die Neuregelun­g. Die bis Ende Mai angestrebt­e Einigung zwischen den EUMitglied­staaten ist kaum mehr möglich. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and kritisiert­e, die Regierung verhindere »mehr Wahrheit und Klarheit beim Autokauf« und wolle offenbar »weiterhin die Autoindust­rie vor Sanktionen, statt Verbrauche­r vor Schaden schützen«.

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