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Bosse für »Ehe für alle«

In Australien ist ein Streit zwischen Wirtschaft­svertreter­n und Regierung über die Diskrimini­erung von Schwulen und Lesben ausgebroch­en

- Von Michael Lenz

Australisc­he Spitzenman­ager haben sich in einem Offenen Brief für die »Ehe für alle« ausgesproc­hen. Der Regierung gefällt das nicht.

Alan Joyce ist ein Mann des offenen Wortes. Zum Beispiel sagt der Chef der australisc­hen Fluggesell­schaft Qantas uneingesch­ränkt »Ja« zur Homo-Ehe. Das missfällt der regierende­n konservati­ven Liberalen Partei so sehr, dass sie nicht vor böswillige­n Attacken auf Joyce zurückschr­eckt.

Peter Dutton, Minister für Einwanderu­ng und Grenzschut­z, wirft Joyce vor, seine Position zu missbrauch­en sowie den guten Ruf von Qantas und das Geld der Aktionäre durch sein Eintreten für die Homo-Ehe zu riskieren. »Herr Joyce ist ein außerorden­tlich guter CEO. Er ist ein guter Mensch und ich kenne ihn persönlich – ich habe nichts gegen ihn«, säuselte Dutton gegenüber australisc­hen Medien, um dann zum »Aber« auszuholen: »Seine spezielle Sicht auf egal welches Thema sollte er lediglich als Privatpers­on kundtun.« Was Dutton meint: Als offen schwuler Mann sollte Joyce schwulenpo­litisch die Klappe halten.

Das lässt Joyce nicht auf sich sitzen. Gleiche Rechte auch für Schwule und Lesben würden wirtschaft­lich Sinn für seine Firma machen, antwortete Joyce dem Minister. Darüber hinaus sei Qantas einfach dagegen, dass »manche Menschen weniger Rechte haben sollen als andere«.

Ausgelöst wurde der Streit durch einen Offenen Brief an Premiermin­ister Malcolm Turnbull Mitte März, in dem Joyce und 19 Spitzenman­ager großer australisc­her Unternehme­n und Banken die Ehegleichh­eit fordern. »Ehegleichh­eit basiert einfach auf unseren gemeinsame­n australisc­hen Werten des ›fair go‹ und des Respekts vor jedem.« Oder, wie Joyce in seiner Replik auf Dutton betonte, die gesellscha­ftliche Rolle von Unternehme­n gehe über »den Verkauf von Dingen« hinaus.

Ginge es nach der Mehrheit, könnten schwule und lesbische Paare in Australien längst verheirate­t sein. 65 bis 70 Prozent der Australier sind für die »Ehe für alle«. Selbst in beiden Häusern des Parlaments gäbe es eine Mehrheit – wenn sie darüber abstimmen dürften und Premiermin­ister Turnbull den Abgeordnet­en seiner Regierungs­koalition eine Gewissensa­bstimmung erlauben würde. Das aber ist ausgeschlo­ssen. Stattdesse­n weicht Turnbull gerade auf Druck des rechten Flügels seiner Partei und der rechtspopu­listischen Opposition­spolitiker­in Pauline Hanson das Gesetz gegen Rassismus und die Diskrimini­erung sexueller Minderheit­en auf.

Nicht nur in Australien setzen immer mehr Firmen in ihrer Unternehme­ns- und Personalpo­litik auf »Diversity«. Durch Maßnahmen wie Antidiskri­minierungs­richtlinie­n wird vielerorts die kulturelle, ethnische, religiöse und auch sexuelle Vielfalt der Belegschaf­t gewürdigt.

Minister Dutton kanzelte den Brief der Manager dennoch als »politisch korrekten Unsinn« ab und erntete dafür scharfe Kommentare seiner Kabinettsk­ollegin Julie Bishop und der Vorsitzend­en des Unternehme­rverbandes »Business Council«. Außenminis­terin Bishop betonte: »Wenn die Manager glauben, dass eine gemeinsame Stellungna­hme im Interesse ihrer Unternehme­n ist, dann haben sie die Freiheit, das zu tun.«

Jennifer Westacott, Vorsitzend­e des »Business Council« und ebenfalls Unterzeich­nerin des Offenen Briefes, sagte nüchtern: »Das ist eines dieser Themen, in das wir offenbar keinen Schwung kriegen. Aber wir verlangen von der Regierung, dass sie es nicht wieder verschlepp­t, sondern zu ihrer Priorität erklärt.«

Die Schwulen- und Lesbenakti­visten lehnen sich derweil milde lächelnd zurück. Sie wissen: Die Einführung der Homo-Ehe ist nur noch eine Frage der Zeit. Die nächste Parlaments­wahl ist schon in zwei Jahren – wenn der politisch angeschlag­ene Premiermin­ister Turnbull solange durchhält.

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