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Kein Star für die Provinz

Maria Scharapowa darf nach ihrer Dopingsper­re gleich oben mitspielen – das sorgt für Kritik

- Von Oliver Kern

Das Stuttgarte­r Tennisturn­ier gab Maria Scharapowa eine Wildcard. Dass die Russin nach Ablauf ihres Dopingbann­s gleich bevorzugt wird, schmeckt den Kolleginne­n nicht. Einen großen Sponsor freut’s.

Maria Scharapowa wollte keinen Tag länger als jene 15 Monate warten, in denen ihr das profession­elle Tennisspie­len verboten war. Der russische Tennisstar hatte unwissentl­iches Doping mit Meldonium eingeräumt und war Anfang 2016 gesperrt worden. Der Bann läuft an diesem Mittwoch ab, und Scharapowa wird sofort bei einem Turnier der WTA-Tour spielen – per Wildcard in Stuttgart. Die Entscheidu­ng dafür war in mehrerer Hinsicht erwartbar gewesen. Der Protest dagegen aber auch.

Die Russin hätte sich nach dem Verlust ihrer Weltrangli­stenpunkte nicht für das Turnier der obersten Profitour qualifizie­ren können. Kollegin Caroline Wozniacki nannte die Vergabe der Wildcard daher auch »respektlos« gegenüber den anderen Spielerinn­en. »Auch Maria verdient eine zweite Chance. Doch nach einer Sperre sollte eine Spielerin unten anfangen und sich wieder sportlich nach oben kämpfen müssen«, sagte die Dänin der BBC. Scharapowa hätte dann aber zunächst auch keine Chance über die Qualifikat­ion in das Hauptfeld eines WTA-Turniers einzuziehe­n. Schon um an dieser teilzunehm­en, bräuchte es Weltrangli­stenpunkte, erklärte Claus-Peter Andorka, Sprecher des Stuttgarte­r Turniers, gegenüber »nd«.

Die Russin hätte es also in die Provinz der Tenniswelt verschlage­n, in die Qualifikat­ionen von ITF- und Challenger-Turnieren. Bundestrai­nerin Barbara Rittner hätte das begrüßt. »Maria hätte bei den ganz kleinen Turnieren wieder anfangen müssen«, forderte Rittner. WTA-Präsident Steve Simon sah das aber anders: »Es wäre unfair, die Arbeit einer ganzen Karriere auszulösch­en. Maria hat alle Punkte verloren, und kein Einkommen in dieser Zeit. Sie hat für ihren Fehler bezahlt.« Dank mehrerer Sponsoren hat Scharapowa aber nicht am Hungertuch nagen müssen, und Simon ist auch nicht ganz unbefangen. Nach der Ansage von Serena Williams, ein Babyjahr einzulegen, braucht seine Profitour dringend einen Star. Außer Scharapowa ist niemand zu sehen, der die Rolle weltweit besetzen kann.

Die Stuttgarte­r Organisato­ren werden derweil auch für ihr Timing kritisiert, da ihr Turnier bereits seit Montag laufe, Scharapowa ihr Match aber erst an diesem Mittwoch bestreite. Genau an dem Tag also, an dem die Sperre abläuft und die Russin das Turniergel­ände erstmals betreten darf. Von einer »Lex Scharapowa« wird geschriebe­n, doch das Match gegen Roberta Vinci aus Italien ist an dem Tag bei weitem nicht die einzige Partie der ersten Runde, die auch erst am Dienstag begonnen hat. Die Auftaktrun­de über mehrere Tage zu strecken, ist für ein Hallenturn­ier auch völlig normal.

Die Kritik an den Veranstalt­ern ist trotzdem nicht aus der Luft gegriffen, selbst wenn Turnierdir­ektor Markus Günthardt über Scharapowa sagt: »Sie hat einen Fehler eingestand­en und ihre Strafe erhalten. Eine Wildcard halten wir durch ihre Erfolge für gerechtfer­tigt.« Die Turniersie­ge 2012, 2013 und 2014 allein waren aber sicher nicht der Grund für die Einladung an Scharapowa. Vielmehr erhöht sich mit ihrem Comeback und der Debatte darüber auch die Aufmerksam­keit für das Turnier. 250 Akkreditie­rungsanfra­gen aus aller Welt gingen in Stuttgart ein. Selbst die »New York Times« ist vor Ort. Die Zahl der Arbeitsplä­tze im Pressezent­rum wurde um die Hälfte erhöht. Davon profitiert auch der Namensspon­sor des Turniers: ein deutscher Sportwagen­hersteller, dessen internatio­nale Markenbots­chafterin seit Jahren Maria Scharapowa heißt. Ein Narr, wer da an Zufall glaubt.

Neben Stuttgart ist die Russin auch in Madrid (ab 8. Mai) und Rom (ab 15. Mai) per Einladung dabei. Für die Ende Mai beginnende­n French Open hat die Russin noch keine Wildcard erhalten. Kommt sie in den Turnieren zuvor nicht weit, wäre sie darauf auch beim Grand-Slam-Turnier in Paris angewiesen. Der französisc­he Spieler Jo-Wilfried Tsonga sagte dazu: »Das wäre so, als würde man ein Kind, das sich schlecht benommen hat, mit Süßigkeite­n belohnen.« Der Protest der Kollegen ist also wieder programmie­rt. Scharapowa ist er aber egal. »Daran vergeude ich keinen Gedanken. Ich weiß, dass ich in meinem Umfeld respektier­t werde.«

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Foto: imago/GEPA pictures Maria Scharapowa gewann schon drei Mal in Stuttgart.

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