Kein Star für die Provinz
Maria Scharapowa darf nach ihrer Dopingsperre gleich oben mitspielen – das sorgt für Kritik
Das Stuttgarter Tennisturnier gab Maria Scharapowa eine Wildcard. Dass die Russin nach Ablauf ihres Dopingbanns gleich bevorzugt wird, schmeckt den Kolleginnen nicht. Einen großen Sponsor freut’s.
Maria Scharapowa wollte keinen Tag länger als jene 15 Monate warten, in denen ihr das professionelle Tennisspielen verboten war. Der russische Tennisstar hatte unwissentliches Doping mit Meldonium eingeräumt und war Anfang 2016 gesperrt worden. Der Bann läuft an diesem Mittwoch ab, und Scharapowa wird sofort bei einem Turnier der WTA-Tour spielen – per Wildcard in Stuttgart. Die Entscheidung dafür war in mehrerer Hinsicht erwartbar gewesen. Der Protest dagegen aber auch.
Die Russin hätte sich nach dem Verlust ihrer Weltranglistenpunkte nicht für das Turnier der obersten Profitour qualifizieren können. Kollegin Caroline Wozniacki nannte die Vergabe der Wildcard daher auch »respektlos« gegenüber den anderen Spielerinnen. »Auch Maria verdient eine zweite Chance. Doch nach einer Sperre sollte eine Spielerin unten anfangen und sich wieder sportlich nach oben kämpfen müssen«, sagte die Dänin der BBC. Scharapowa hätte dann aber zunächst auch keine Chance über die Qualifikation in das Hauptfeld eines WTA-Turniers einzuziehen. Schon um an dieser teilzunehmen, bräuchte es Weltranglistenpunkte, erklärte Claus-Peter Andorka, Sprecher des Stuttgarter Turniers, gegenüber »nd«.
Die Russin hätte es also in die Provinz der Tenniswelt verschlagen, in die Qualifikationen von ITF- und Challenger-Turnieren. Bundestrainerin Barbara Rittner hätte das begrüßt. »Maria hätte bei den ganz kleinen Turnieren wieder anfangen müssen«, forderte Rittner. WTA-Präsident Steve Simon sah das aber anders: »Es wäre unfair, die Arbeit einer ganzen Karriere auszulöschen. Maria hat alle Punkte verloren, und kein Einkommen in dieser Zeit. Sie hat für ihren Fehler bezahlt.« Dank mehrerer Sponsoren hat Scharapowa aber nicht am Hungertuch nagen müssen, und Simon ist auch nicht ganz unbefangen. Nach der Ansage von Serena Williams, ein Babyjahr einzulegen, braucht seine Profitour dringend einen Star. Außer Scharapowa ist niemand zu sehen, der die Rolle weltweit besetzen kann.
Die Stuttgarter Organisatoren werden derweil auch für ihr Timing kritisiert, da ihr Turnier bereits seit Montag laufe, Scharapowa ihr Match aber erst an diesem Mittwoch bestreite. Genau an dem Tag also, an dem die Sperre abläuft und die Russin das Turniergelände erstmals betreten darf. Von einer »Lex Scharapowa« wird geschrieben, doch das Match gegen Roberta Vinci aus Italien ist an dem Tag bei weitem nicht die einzige Partie der ersten Runde, die auch erst am Dienstag begonnen hat. Die Auftaktrunde über mehrere Tage zu strecken, ist für ein Hallenturnier auch völlig normal.
Die Kritik an den Veranstaltern ist trotzdem nicht aus der Luft gegriffen, selbst wenn Turnierdirektor Markus Günthardt über Scharapowa sagt: »Sie hat einen Fehler eingestanden und ihre Strafe erhalten. Eine Wildcard halten wir durch ihre Erfolge für gerechtfertigt.« Die Turniersiege 2012, 2013 und 2014 allein waren aber sicher nicht der Grund für die Einladung an Scharapowa. Vielmehr erhöht sich mit ihrem Comeback und der Debatte darüber auch die Aufmerksamkeit für das Turnier. 250 Akkreditierungsanfragen aus aller Welt gingen in Stuttgart ein. Selbst die »New York Times« ist vor Ort. Die Zahl der Arbeitsplätze im Pressezentrum wurde um die Hälfte erhöht. Davon profitiert auch der Namenssponsor des Turniers: ein deutscher Sportwagenhersteller, dessen internationale Markenbotschafterin seit Jahren Maria Scharapowa heißt. Ein Narr, wer da an Zufall glaubt.
Neben Stuttgart ist die Russin auch in Madrid (ab 8. Mai) und Rom (ab 15. Mai) per Einladung dabei. Für die Ende Mai beginnenden French Open hat die Russin noch keine Wildcard erhalten. Kommt sie in den Turnieren zuvor nicht weit, wäre sie darauf auch beim Grand-Slam-Turnier in Paris angewiesen. Der französische Spieler Jo-Wilfried Tsonga sagte dazu: »Das wäre so, als würde man ein Kind, das sich schlecht benommen hat, mit Süßigkeiten belohnen.« Der Protest der Kollegen ist also wieder programmiert. Scharapowa ist er aber egal. »Daran vergeude ich keinen Gedanken. Ich weiß, dass ich in meinem Umfeld respektiert werde.«