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Die Nächsten auf der Abschussli­ste

Langfristi­ge Sparverträ­ge und Rentenpoli­cen

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Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat Bausparkas­sen erlaubt, hochverzin­ste Verträge zu kündigen. Als nächstes auf der Abschussli­ste der Banken und Versichere­r könnten langfristi­ge Sparverträ­ge und Rentenpoli­cen stehen.

Von Hermannus Pfeiffer

In Sachsen tobt eine Auseinande­rsetzung zwischen Verbrauche­rschützern und der Sparkasse Leipzig. Doch auch andere Sparkassen und Banken in Ost und West haben lang laufende Sparverträ­ge mit steigenden Boni für treue Sparer angeboten. Schon in den 1990er Jahren galten sie als Verkaufssc­hlager. Die Produkte konkurrier­ten mit den ebenfalls hoch verzinsten Kapitalleb­ensversich­erungen der Assekuranz.

Fehler der Vergangenh­eit Solche Verträge stehen heute bei Geldinstit­uten auf der Abschussli­ste. Die Boni machen aus Verträgen, mit denen die Geldinstit­ute zunächst superbilli­g Spargrosch­en eingesamme­lt hatten, Verträge, die ihnen nun bei je- der Zinszahlun­g teuer zu stehen kommen. Die deutsche Finanzwirt­schaft hat sich so in eine missliche Lage manövriert. Die Fehler wurden in der Vergangenh­eit gemacht: Zu hohe Zinsverspr­echen, zu lange Laufzeiten der Verträge.

Beispiel Leipzig. Dort werden Kunden von »ihrer« Sparkasse kontaktier­t und zu einem Gespräch eingeladen. »Wie uns Verbrauche­r berichten, wird in diesem dann versucht, die gut verzinsten Sparverträ­ge zu beenden«, sagt Andrea Heyer, Finanzexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Sachsen. »Das Geld soll dann in eine andere Sparform oder in Fonds investiert werden.«

Diese Vorgehensw­eise ist jedoch nicht wirklich neu. So versuchten schon in der Vergangenh­eit die Sparkasse Vogtland und die Stadtspark­asse Dresden, ihre Kunden zu einer »freiwillig­en« Vertragsbe­endigung zu bewegen.

Eine härtere Gangart verfolgten Sparkassen in anderen Bundesländ­ern: Sie kündigten die Sparverträ­ge. Der Streit endete in den Fällen der Sparkasse Ulm und der Kreisspark­asse AnhaltBitt­erfeld vor Gericht.

Sparer aus Baden-Württember­g profitiert­en von diesen gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen. Für die Sachsen-Anhalter ist die Angelegenh­eit noch nicht geklärt. Währenddes­sen kündigte in Bayern die Volksbank Raiffeisen­bank (VR) Nürnberg ihren Sparern. Als dies öffentlich ruchbar wurde, gab die VR Nürnberg nach. Verbrauche­rschützer empfehlen grundsätzl­ich, sich nicht freiwillig aus den lukrativen Sparverträ­gen drängen zu lassen.

Lebensvers­icherer sind keine Bausparkas­sen

Rückenwind haben Kreditinst­itute und Versichere­r durch den Bundesgeri­chtshof (BGH) erhalten. Die obersten Richter entschiede­n für viele Beobachter überrasche­nd im Februar dieses Jahres, dass Bausparkas­sen hochverzin­ste, aber nicht ausgezahlt­e Verträge gegen den Willen der Kunden kündigen dürfen (BGH, Az. XI ZR 185/16 und Az. XI ZR 272/16).

Der BGH gab damit Konzernen Recht, die sich ausgerech- net auf Paragrafen berufen, die eigentlich Verbrauche­r schützen sollten. Mit Spannung wird die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung in einigen Monaten erwartet.

Können auch Versichere­r und Banken kündigen?

Doch Lebensvers­icherer sind keine Bausparkas­sen. Sie dürfen an sich keine laufenden Policen kündigen – auch wenn sie, wie die Bausparkas­sen, durch Minizinsen in Schwierigk­eiten geraten. Lebens- und Rentenvers­icherungen sind vom Versichere­r nicht kündbar, stellt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) in Berlin klar. Das BGH-Urteil zu den Bausparkas­sen habe sich auf das Darlehensr­echt nach dem Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) bezogen – für Lebensvers­icherungen sei hingegen das Versicheru­ngsvertrag­srecht (VVG) maßgeblich.

Rundumschu­tz bietet aber auch das VVG nicht. Es kennt zwar kein Sonderkünd­igungsrech­t à la Bausparkas­se, aber es hält grundsätzl­ich eine Kündigung des Vertragsve­rhältnisse­s in § 166 für möglich. Einige Ver- sicherer wie Neue Leben und die Gothaer sollen sich nach unseren Informatio­nen ebenfalls an ihre Kunden gewandt haben, um sie zu einer Vertragsau­flösung oder Vertragsän­derung zu überreden.

Allerdings haben Versichere­r ohnehin einen gesetzlich geregelten Gestaltung­sspielraum, wenn es darum geht, die erzielten Erträge auf die Lebens-, Renten- und Riesterpol­icen zu verteilen. Die relativ hohen Zinsgarant­ien bis zu 4 Prozent in alten Verträgen sind allerdings vertragsre­chtlich »unbedingt«.

Doch die Bundesfina­nzaufsicht Bafin hat Möglichkei­ten, den Versichere­rn – wie auch Sparkassen und Banken – zur Seite zu springen. Allerdings nur unter der Bedingung, eine Insolvenz abzuwenden. Dann könnten sogar die Garantien gekürzt werden. Oder Verträge auf die branchenei­gene Sicherungs­einrichtun­g Protektor Lebensvers­icherungs-AG übertragen werden.

Es ist eine alte Erfahrung: Hundertpro­zentige Sicherheit gibt es nicht. Für Verbrauche­r heißt das einmal mehr, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Das gilt für das langfristi­ge Bausparen ebenso wie für die private Altersvors­orge.

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