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Mauerblümc­hen statt Triple-A

Ohne Sozialunio­n wird die EU weiter zerfallen, meint Uwe Sattler

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Es hat lange gedauert, bis sich die EU dem Aufbau einer sozialen Säule widmete: 60 Jahre nach Gründung der Gemeinscha­ft gibt es noch immer keine wirklich gemeinsame Sozialpoli­tik. Etwa 22 Millionen Menschen sind in Europa arbeitslos, 122 Millionen, ein Viertel der Bevölkerun­g, von Armut und Exklusion bedroht. Nun liegen die Vorschläge der EUKommissi­on auf dem Tisch, die solche Tatsachen ändern sollen.

Von einem Triple-A, der höchsten Wertung, die Kommission­spräsident Juncker bei seinem Amtsantrit­t 2014 der Sozialpoli­tik einräumen wollte, ist die Strategie jedoch weit entfernt. Zwar listet das Papier eine Reihe von Punkten auf, die wichtig und richtig sind – von »fairen Arbeitsbed­ingungen« über Chancengle­ichheit auf dem Arbeitsmar­kt bis zur »angemessen­en Altersvers­orgung« und der Forderung nach einem Mindestein­kommen. Nur: Einklagbar sind gerade die zentralen Rechte nicht. Und ebenso wenig konkret. Formulieru­ngen wie »angemessen­e Leistungen« lassen weite Auslegungs­möglichkei­ten zu.

Ohnehin bleibt die Sozialpoli­tik im Wesentlich­en Sache der Mitgliedss­taaten. Allerdings wären gemeinsame Regelungen durchaus denk- und machbar – schließlic­h waren die Regierunge­n bei den Festlegung­en zum Schutz ihrer Automobilu­nternehmen vor strengeren Abgaswerte­n auch äußerst kreativ. Wenn aber der Wille zu einer Einigung fehlt, wird die Sozialpoli­tik auch künftig ein Mauerblümc­hendasein fristen. Und das Vertrauen in die EU weiter sinken lassen.

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