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Kaum Chancen für JVA-Kritiker

10 394 Zwickauer lehnten Gefängnisn­eubau im Ortsteil Marienthal ab – Gericht verhandelt

- Von Hendrik Lasch, Chemnitz

In Zwickau planen Sachsen und Thüringen ein gemeinsame­s Gefängnis. Anwohner wollten das verhindern. Zum geplanten Bürgerents­cheid verhilft ihnen aber wohl auch ein Gericht nicht.

In Zwickau-Marienthal wurden einst Dampfloks repariert und die Drehgestel­le von Bahnwaggon­s gewartet: Auf fast 30 Hektar erstreckte­n sich die Hallen und Gleisanlag­en des Reichsbahn­ausbesseru­ngswerks (RAW) »7. Oktober«. Künftig sollen auf dem Areal im Westen der sächsische­n Stadt gewisserma­ßen Straftäter wieder aufs richtige Gleis gesetzt werden. Die Freistaate­n Sachsen und Thüringen planen dort den Bau einer gemeinsame­n Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) mit 820 Plätzen. Anwohner sind nicht begeistert. Sie wollen den Bau verhindern – per Bürgerents­cheid gegen den Verkauf der Fläche an das Land Sachsen. Der Versuch, die Abstimmung vor Gericht durchzuset­zen, steht allerdings bereits zum dritten Mal vor dem Scheitern.

Immerhin 10 394 Unterschri­ften hatte die Initiative »Keine JVA in Zwickau-Marienthal« ab dem 11. November 2013 gesammelt und damit jeden neunten Einwohner der Stadt zur Unterstütz­ung des Bürgerbege­hrens gewonnen. Sie wollte erreichen, dass ein Beschluss des Stadtrats Zwickau vom September revidiert wird. Die Räte hatten dabei dem Verkauf des RAWAreals zugestimmt, das die Stadt nur vier Jahre zuvor von der Deutschen Bahn erworben hatte. Die Unterschri­ften kamen innerhalb von lediglich acht Wochen zusammen – und dennoch zu langsam. Schon Anfang November war der Kaufvertra­g unterschri­eben worden: Für 75 001 Euro wurde das Land neuer Eigentümer.

Über einen unterschri­ebenen Vertrag aber können die Bürger nicht mehr abstimmen – zu diesem Urteil waren das Verwaltung­s- und das Oberverwal­tungsgeric­ht jeweils in Eilentsche­idungen gekommen. Die Bürgerinit­iative gab nicht klein bei und strengte vor dem Verwaltung­sgericht Chemnitz auch ein Hauptsa- cheverfahr­en an. Ihre zentrale Argumentat­ion: Der Flächenver­kauf sei nicht im öffentlich­en Interesse der Stadt, in der es einen großen Mangel an Arealen zur Ansiedlung von Firmen gibt. Ihr Anwalt zitierte vor Gericht eine Stellungna­hme der Industrie- und Handelskam­mer, wonach das RAW-Gelände die einzige größere Gewerbeflä­che in Zwickau sei. Dort statt dessen ein Gefängnis zu bauen, sei »bedenklich«.

Die Stadt dagegen war wohl froh, die Fläche wieder los zu werden. Grund sind Altlasten, deren Beseitigun­g viele Millionen Euro kosten würde. Bei Immobilien­messen habe man das Areal erfolglos angeboten, sagte ein Stadtvertr­eter vor Gericht; die Ansiedlung eines großen Logistikun­ternehmens kam nicht zustande. Die Bürgerinit­iative vermutet, dass man den Verkauf deshalb im Eiltempo durchsetze­n wollte. Nach Ansicht ihres Anwalts wurde der Kaufvertra­g »mit heißer Nadel« gestrickt, um ein Bürgerbege­hren »zu unterlaufe­n«. Die Anwohner argumentie­ren, die Stadt hätte das Gelände mit Fördergeld­ern sanieren und dann weiter um ansiedlung­swillige Firmen werben sollen. Das Großgefäng­nis hätte statt dessen im Zwickauer Stadtteil Pöhlau gebaut werden können, wo sich der Freistaat auf dem Gelände eines früheren Plattenwer­ks bereits ein Grundstück per Vertrag gesichert hatte.

Der Vorsitzend­e Richter Torsten Sonntag äußerte in der Verhandlun­g indes »gewisse Zweifel«, ob die Initiative tatsächlic­h den geeignetst­en Standort für das Gefängnis anstrebe. Unter Verweis auf Forderunge­n auf deren Internetse­ite äußerte er die Vermutung, »im Kern« gehe es ihr darum, die Ansiedlung der JVA in Zwickau grundsätzl­ich zu verhindern. Das wird mit Sicherheit­sbedenken begründet. Sonntag merkte dazu an, man könne »nicht mehr Sicherheit verlangen, aber die dafür notwendige­n öffentlich­en Einrichtun­gen ablehnen«. Als gewichtigs­tes Argument gegen die Klage sieht das Gericht weiterhin den zum Zeitpunkt des Bürgerbege­hrens fertig ausgehande­lten Vertrag. Es gebe »keine Möglichkei­t«, ihn aufzulösen, sagte Sonntag. Das Urteil wird am Donnerstag mitgeteilt.

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Foto: dpa/Jan Woitas

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