nd.DerTag

Rückzug ins Private

Stefan Otto über den Rückgang der Wahlbeteil­igung in sozialen Brennpunkt­en

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Neu ist die Erkenntnis der Bertelsman­n-Studie nicht. Den Trend, dass die Nichtwähle­r-Hochburgen auch die sozialen Brennpunkt­e sind, gibt es seit Längerem, das ist ein bundesweit­es Phänomen. Die Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen zeigt aber, dass sich dieser Zustand zuspitzt – die soziale Spaltung zwischen Wählern und Nichtwähle­rn hat zugenommen.

Erklärung hierfür kann der Streit um den Armutsberi­cht der Bundesregi­erung geben. Wissenscha­ftler hatten darin festgestel­lt, dass es Menschen mit Geld leichter fällt, auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen als Einkommens­schwachen. Die Bundesregi­erung strich diese unliebsame Passage letztlich heraus. Aber sie gibt Aufschluss darüber, warum vor allem die CDU und die FDP von der gestiegene­n Wahlbeteil­igung in NRW profitiere­n konnten. Ihnen gelang es, ihre wohlhabend­e Klientel zu mobilisier­en.

Wer jedoch seit Jahren prekär arbeitet und in einem negativen Wohnumfeld lebt, dem fällt oft schwer zu erkennen, dass die Politik sich auch um seine Belange kümmert. Eine Entfremdun­g von den Parlamente­n ist vielfach die Folge, ein Rückzug ins Private nachvollzi­ehbar. Am ehesten vom Sofa holen kann diese Leute derzeit die AfD, nicht aber die Linksparte­i. Sie wirkt vor allem in Westdeutsc­hland nur sehr begrenzt als Anwältin der sozial Benachteil­igten.

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