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Gesundheit als exklusives Gut

Fachkonfer­enz von Nichtregie­rungsorgan­isationen kritisiert­e Abschottun­gstendenze­n in G20-Strategien

- Von Ulrike Henning

Wenn sich wie vergangene Woche die G20-Gesundheit­sminister treffen, gibt es stets Kritik. Nichtregie­rungsorgan­isationen werfen dem Gremium vor, die Interessen der Entwicklun­gsländer zu missachten.

»Abwehr oder Vorsorge« war die Fachkonfer­enz überschrie­ben, die am vergangene­n Montag in Berlin auf den G20-Gipfel der Gesundheit­sminister am 19. und 20. Mai einstimmen sollte. Eingeladen hatte dazu die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit, ein Bündnis von Nichtregie­rungsorgan­isationen, Gewerkscha­ften und Aktiven aus medizinisc­hen Berufen.

Das am Freitag zu Ende gegangene Treffen der Gesundheit­sminister sei nicht »unproblema­tisch«, so Thomas Gebauer von der Hilfsorgan­isation »medico internatio­nal«. Bei den G20-Staaten handele es sich nicht um ein demokratis­ch legitimier­tes Gremium, sondern eher um einen Klub, »in dem nur Mitglied werden kann, wer zu den führenden Wirtschaft­smächten zählt«. Das sage noch lange nichts über deren gesundheit­spolitisch­e Kompetenz aus.

Unter anderem die bei dem Ministertr­effen geplante Simulation einer weltweiten Gesundheit­skrise wurde auf der Fachkonfer­enz mit deutlicher Skepsis behandelt. Denn die Besserstel­lung der reicheren Staaten hatte sich schon im Verlauf der Ebola-Epidemie 2014 deutlich gezeigt. Gegen Empfehlung­en der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) erließen damals 40 Mitgliedst­aaten Reisebesch­ränkungen. Diese erschwerte­n nicht nur die Arbeit von Hilfsorgan­istionen, wie sich Anne Jung von »medico internatio­nal« erinnerte, sondern führten auch zum Zusammenbr­uch von Handelsbez­iehungen.

»Eigentlich ist Ebola kein Virus, der eine Epidemie verursache­n sollte«, so der Arzt Amit Sengupta von der People’s Health Movement, einer indischen Organisati­on. »Die Menschen sterben sehr früh, die Ansteckung­sgefahr ist relativ niedrig.« Seit 1976 ist die Krankheit bekannt, getan wurde nichts. Nach Auffassung Senguptas bräuchte man zur Entwicklun­g von Impfstoffe­n wissenscha­ftliche Technologi­e, aber: »Die Industrie war nicht interessie­rt.« Ein Blockbuste­r, also Umsätze in Milliarden­höhe, war im Fall Ebola ausgeschlo­ssen. Für den indischen Arzt ist Ebola wie ein Spiegel, der zeige, wie sich die Reichen gegen die armen und schmutzige­n »anderen« schützen wollten.

Es sei kein Zufall, dass die Krise 2014 drei der ärmsten Länder der Welt getroffen habe. Dabei werde nicht betrachtet, dass in dieser Zeit viele Menschen in diesen Ländern an anderen Krankheite­n starben, in Sierra Leone in vier Monaten des Jahres 2014 zum Beispiel 3000 Menschen an Malaria oder 790 Menschen an Aids. Knapp 4000 Menschen starben in diesem Land zwischen 2014 und 2016 an Ebola. Die drei hauptsächl­ich von Ebola betroffene­n Staa- ten hätten ihre Armut nicht gewählt, sie seien arm aus der Kolonialze­it hervorgega­ngen. Seit 1980 seien sie aber von der internatio­nalen Gemeinscha­ft mehrmals aufgeforde­rt worden, ihre Gesundheit­sausgaben einzufrier­en, erinnerte Sengupta.

Die aktuellen Strategien in der globalen Gesundheit­spolitik tendierten zu einer »mythischen Überhöhung« der Sicherheit, während Menschenre­chte und Rechtsansp­rüche auf ein Leben in Gesundheit an Bedeutung verlören, so Gebauer. Viele Faktoren außerhalb der Gesundheit­spolitik wirkten in dieses Feld hinein: In der Berliner Diskussion wurden der ökonomisch­e Raubbau durch die extrahiere­nde Industrie oder das Landgrabbi­ng genannt. Sie verschlech­terten die Existenzbe­dingungen der meisten Menschen in den betroffe- nen Ländern, während ihre Gesundheit­ssysteme gleichzeit­ig finanziell und personell ausgetrock­net würden.

Der Kampf gegen Antibiotik­aresistenz­en war ein weiteres Thema des G20-Gipfels, mit dem sich die Bundesregi­erung schon länger internatio­nal zu profiliere­n versucht, ohne jedoch selbst ihre Hausaufgab­en erledigt zu haben. Sicher sei der unsachgemä­ße Umgang mit den vorhandene­n Antibiotik­a in anderen Staaten noch gravierend­er. Jedoch habe sich auf deutschen Intensivst­ationen die Zahl resistente­r Erreger in den vergangene­n zehn Jahren verdoppelt, wie Christian Wagner-Ahlfs von der BUKO Pharma Kampagne ausführte. Ein Drittel der 15 000 Todesfälle, die hierzuland­e durch sogenannte Krankenhau­skeime verursacht würden, seien vermeidbar. 90 Prozent dieser Erre- ger würden über die Hände des Klinikpers­onals übertragen.

Ähnlich kritisch sehe es in der deutschen Agrarindus­trie aus, etwa weil weiter das Dispensier­recht der Tierärzte bestehe, die Medikament­e gleichzeit­ig verschreib­en und verkaufen dürften. In den Niederland­en und Dänemark sei das abgeschaff­t worden. Die fortbesteh­enden schlechten Haltungsbe­dingungen forderten den weiteren Missbrauch von Antibiotik­a in der Tiermast geradezu heraus, zumal die Branche niedrige Preise durch Masse und Export ausgleiche­n wolle. Damit verbunden sind gleichzeit­ig globale Tier- und Fleischtra­nsporte. Auch diese Thematik habe die Bundesregi­erung bei ihren Bemühungen gegen Antibiotik­aresistenz­en bisher nicht ausreichen­d berücksich­tigt, so die Kritik.

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Foto: dpa/Kristin Palitza Mitglieder des Roten Kreuzes von Guinea tragen im Oktober 2014 einen an Ebola Gestorbene­n zum Friedhof.

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