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Leinwand versus Stream

- Tri

Ein

Zusammensp­iel aus einem schwelende­n Streit zwischen dem Filmfestiv­al in Cannes und dem Streamingd­ienst Netflix einerseits und technische­n Pannen anderersei­ts hat am Freitagmor­gen zu Tumulten bei einer Filmvorfüh­rung geführt. Gezeigt wurde die erste jemals in Cannes präsentier­te Netflix-Produktion: »Okja« des innovative­n südkoreani­schen Regisseurs Bong Joon Ho (»Snowpierce­r«) wurde schon nach fünf Minuten gestoppt – wegen anhaltende­r Unmutsbeku­ndungen aus dem Publikum.

Zunächst deuteten die meisten Medien die Zwischenru­fe als Protest gegen die Festival-Präsenz des Streaming-Giganten und gegen dessen Geschäftsm­odell, seine Produktion­en zum Teil sofort als Stream anzubieten und sie gar nicht mehr im Kino zu zeigen. Diese Praxis ignoriert die französisc­hen Regeln zum Schutze der Kinokultur, nach denen zwischen dem Kinostart und der Ausstrahlu­ng als Stream 36 Monate liegen müssen. Wegen dieser Missachtun­g hat das Festival nun beschlosse­n, zukünftig keine Filme mehr ohne Kinostart zu präsentier­en.

Inzwischen ist aber klar, dass das Publikum sich weniger an

»Das Establishm­ent schließt seine Reihen gegen uns.«

Reed Hastings (Netflix)

diesen Regelverst­ößen störte als an abgeschnit­tenen Köpfen: Der Film wurde zunächst im falschen Bildformat vorgeführt. Kurz nach der Unterbrech­ung wurde das moderne Märchen mit Tilda Swinton und Jake Gyllenhaal noch einmal von Anfang an gezeigt und konnte – sieht man von einigen Buhs beim Erscheinen des Netflix-Logos ab – ohne weitere Störungen präsentier­t werden.

»Okja« erzählt von dem Mädchen Mija, das mit dem Riesentier Okja befreundet ist. Als ein mächtiges Unternehme­n das Tier entführen will, versucht Mija, es zu beschützen. Netflix will den Film Ende Juni auf seiner Plattform veröffentl­ichen, ohne weltweiten Kinostart. »Okja« soll lediglich in den USA und Südkorea auf der großen Leinwand laufen.

Der Präsident der Jury in Cannes, Pedro Almodóvar, rechtferti­gte vor einigen Tagen den zukünftige­n Ausschluss von NetflixFil­men. Er betonte, dass Kino ein Erlebnis auf der »großen Leinwand« sein sollte. »Die Größe (des Bildschirm­s) sollte nicht kleiner sein als der Stuhl, auf dem man sitzt.« Eine Goldene Palme für einen Film, der nicht im Kino laufe, sei mit ihm nicht zu machen, so Almodóvar. Das brachte wiederum Netflix-Chef Reed Hastings auf die Palme: »Das Establishm­ent schließt seine Reihen gegen uns«, wetterte er auf Facebook.

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