Bis Euch der Sprit ausgeht!
Böse Autofahrer: Eine Anklageschrift gegen den natürlichen Feind der Radfahrer
Seit Anbeginn der Zeit herrscht ein Krieg David gegen Goliath, Schwach gegen Stark, Unten gegen Oben. Der moderne Goliath brettert auf 240 PS starken zwei Tonnen Stahl »Made in Germany« durch die Straßen, während sich der moderne David mit eigener Muskelkraft geschickt auf zwei Rädern durch den Großstadtdschungel manövriert. Denn Fahrrad und Pkw, das sind nicht nur zwei unterschiedliche Fortbewegungsmittel, es sind zwei antagonistische Pole der metropolitanen Gesellschaft.
Auf der einen Seite das Fahrrad: Es ist schlank, klein, günstig, ressourceneffizient. Fahrradfahrer verursachen keine Treibhausgasemissionen. Stattdessen benutzen sie ihre eigene Körperkraft, um sich fort zu bewegen. Sie sind sozusagen die Proletarier der Straße. Auf der anderen Seite die Diesel- und Otto-Verbrennungsmotoren: Sie bilden noch mal eine Gesellschaft in sich. Es gibt sie in klein und groß, alt und neu, billig und teuer, als Cabrio oder Nutzfahrzeug. Doch allen gemein ist: Sie sind die Herrscher auf Deutschlands Straßen. Ihre Fahrer müssen zur Fortbewegung nichts tun, als den Motor anzuwerfen und aufs Gaspedal zu treten. Ihnen zu Ehren werden auch heutzutage noch Tausende Tonnen Teer quer über die hiesigen Landschaften ausgebreitet, obwohl sie neben der Kohle als Klimaschädlinge Nummer Eins gelten und die menschengemachte Erderwärmung eine der größten Bedrohungen für die Menschheit ist.
Überhaupt überkommt einen Fahrzeughalter, wenn er den Sicherheitsgurt um seine Brust schnallt und den Motor startet, offenbar meist ein Gefühl der Erhabenheit, aus Prinzip das Recht auf seiner Seite zu haben. Schließlich hat er sich dieses Privileg mit dem Kauf dieses prächtigen Stücks deutscher Ingenieurskunst aus Sindelfingen, Ingolstadt, München oder Wolfsburg teuer genug erkauft. Und je teuerer das Auto, desto größer ist die Rechthaberei. Untereinander demonstrieren die Pkw-Halter diesen Vorrechtsanspruch meist mit möglichst ausgiebigem Hupen, damit sie ja niemand überhört. Ihrem natürlichen Feind, dem Fahrradfahrer, machen sie klar, dass sie die Herren der Straße sind, indem sie mal eben schnell zum Brötchenholen oder frei aus einer Laune heraus in zweiter Reihe – also meist auf dem Fahrradweg – parken.
Auch hier gilt: Je dicker das Auto, desto dreister der Fahrer. Ein Twingo- oder Panda-Halter versucht sich meist in eine noch so kleine Lücke zu quetschen, während der SUV-Fahrer die ganze Breite des Fahrradwegs ausnutzt – auch wenn er sich damit vor eine riesige Parklücke stellt. Schließlich könnte seine wertvolle Nobelkarosse ja beim Einparken einen Kratzer abbekommen. Und überhaupt geht es ums Prinzip. Nämlich dem Fahrradfahrer zu zeigen, dass er auf den deutschen Straßen nur geduldet ist und genauso wenig das Recht auf einen eigenen Weg hat wie auf Gewährung der Vorfahrt.
Dem sich abstrampelnden Fahrradfahrer bleibt derweil meist nicht mehr übrig, als wendig den Attacken der heran rollenden Blechlawinen auszuweichen, wie es David einst mit den Schlägen Goliaths tat. Zumindest weiß er die Geschichte auf seiner Seite. Früher oder später wird der Tag kommen, an dem der letzte Tropfen Sprit verbrannt ist. Dann nützen dem Autofahrer seine 240 PS starken zwei Tonnen Stahl deutscher Ingenieurskunst nichts mehr und er muss zu Fuß Brötchen holen gehen.