Anpassung an den alten Stand
Die SPD fordert bundesweit 15 000 neue Polizeistellen – dies entspricht ungefähr jener Zahl, die seit Ende der 1990er Jahre abgebaut wurde
Die Sozialdemokraten haben sich auf das Thema Innere Sicherheit eingeschossen. Zusätzliche Beamte sollen nach den Vorstellungen der SPD die Straßen sicherer machen.
Die SPD hat sich im Bundestagswahlkampf das Thema Innere Sicherheit vorgeknöpft. Die Sozialdemokraten kündigten diesbezüglich in ihrem Entwurf zum Wahlprogramm an, 15 000 neue Stellen bei den Polizeibehörden schaffen zu wollen. »Für eine bessere und schnellere Aufklärung sogenannter Alltagskriminalität brauchen wir mehr Ermittler«, heißt es in dem Papier. Die Polizei soll zudem moderne IT- und Kommunikationstechnologie bekommen. Auch die CDU von Nordrhein-Westfalen sowie die LINKE forderten jüngst mehr Polizisten.
Die geforderte Erhöhung der Polizeistellen ist bei genauem Blick jedoch eher eine Anpassung an einen al- ten Stand. Laut dem Statistischen Bundesamt wurden zwischen 1998 und 2015 bundesweit von ehemals 316 000 Gesamtbeschäftigen der Polizei rund 16 000 Beamten- und Mitarbeiterstellen abgebaut – also etwas mehr, als nach dem Wunsch der SPD nun wieder aufgebaut werden sollen.
Die einzelnen Bundesländer waren unterschiedlich von dem Ausdünnen betroffen: So verloren in dem genannten Zeitraum Berlin (knapp 5000) und Sachsen-Anhalt (rund 4000) die meisten Mitarbeiter, während Länder wie Bayern oder Rheinland-Pfalz neue Stellen dazu bekamen.
Generell lässt sich feststellen, dass die neuen Bundesländer weitaus stärker unter dem Stellenabbau gelitten haben als die alten Länder, und dass von den abgebauten Stellen mit zwei Dritteln vor allem nicht-verbeamtete Arbeitnehmer betroffen waren. Damit wurde offenbar vor allem in der Verwaltung gekürzt. Die Bundespolizei verlor nur geringfügig Mitarbeiter.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagt bereits seit längerer Zeit eine Überbelastung, die sich durch die Ausdünnung der Dienststellen ergeben habe: »Es ist ein Personalabbau ohne Aufgabenabbau bei der Polizei betrieben worden, einfach um Geld zu sparen«, erklärte Oliver Malchow, der Bundesvorsitzende der GdP. Die Beamten seien dadurch wenig präsent im öffentlichen Raum wachsender Großstädte. Auch habe man »wenig sinnvolle Restrukturierungskonzepte« umsetzen müssen und kämpfe häufig mit veralteter Ausrüstung.
»Allein 2016 leisteten meine Kolleginnen bundesweit 22 Millionen Stunden Mehrarbeit«, sagte Malchow. Die Zahl der Einsätze, bei denen die Landespolizei durch Kräfte des Bundes oder aus anderen Ländern unterstützt werden musste, habe sich zudem von 89 im Jahr 2005 auf 209 im Jahr 2015 verdreifacht. Psychische Erkrankungen der Beamten würden zunehmen.
Mit der Forderung nach mehr Polizisten versucht die SPD offenbar auch, auf eine Veränderung des Sicherheitsgefühls zu reagieren. Laut einer repräsentativen Infratest-dimapUmfrage im Auftrag von »Panorama« vom Januar fühlen sich 32 Prozent der Bevölkerung auf Straßen, Plätzen, Parkanlagen und Verkehrsmitteln mittlerweile unsicherer als noch vor zwei Jahren, darunter Frauen etwas stärker als Männer. Die häufigste Befürchtung betrifft generell Diebstahl, wobei aber auch 17 Prozent der Frauen größere Angst vor sexuellen Übergriffen haben.
Rund ein Drittel fühlt sich besonders von »Ausländern und Flüchtlingen« bedroht, etwas mehr als jeder Zehnte von »Neonazis und Rechten«. Die Veränderung der subjektiven Wahrnehmung wie auch die politischen Initiativen könnten mit den Übergriffen der Kölner Silvesternacht 2015/2016 sowie terroristischen Anschlägen zusammenhängen. »Vor den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht hatte die Politik das Thema Innere Sicherheit wenig interessiert«, sagte der GdP-Vorsitzende Malchow.
Die Gesamtzahl der bundesweit pro Jahr registrierten Straftaten bewegt sich unabhängig vom nicht erfassten Dunkelfeld laut der polizeilichen Kriminalstatistik seit 2001 mit Ausschlägen bei um die sechs Millionen. Ob eine alleinige Aufstockung der Dienststellen die Sicherheit erhöhen kann, ist indes ungewiss. Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International Deutschland, erklärte: »Mehr Polizei ist kein Garant für eine bessere Polizeiarbeit oder für mehr Sicherheit.« Allerdings sei es für Polizisten, die wegen Personalnot überlastet sind und dadurch unter Druck geraten, »sicher schwer«, in Stresssituationen ruhig zu bleiben. »Daher sollte die Polizei definitiv so gut ausgestattet sein, dass alle Polizisten professionell und deeskalierend arbeiten können.«