nd.DerTag

Ein riesiger Saumagen

Andreas Koristka über die Frage, was von Helmut Kohl bleibt – und vor allem wo

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Er war der Vater der Einheit, der Architekt Europas und der Gewinner des 4. Großen Oggersheim­ers Innereien-Wettessens. Kein Wunder, dass Milliarden Menschen weltweit den Tod Helmut Kohls mit heißen Elefantent­ränen beweinten. Doch langsam weicht der schrecklic­hen Trauer um den Verlust des großen Mannes, der zwar nicht übers Wasser gehen, aber bei seinen zahlreiche­n Badebesuch­en am Wolfgangse­e immerhin den Pegel um einige Zentimeter anheben konnte, die Sorge: Was geschieht mit dem Nachlass des dicksten Europäers aller Zeiten?

Denn was der »wirklich große Deutsche« (Sigmar Gabriel) im Laufe der Jahre angesammel­t hat, ist von großem Gewicht. Fest steht bisher, dass seine Schrumpfko­pfsammlung von pfälzische­n Juso-Mitglieder­n ans Naturkunde­museum in Berlin gehen soll. Die heimlich geschossen­en Sauna-Fotos von Boris Jelzin erhält die »Men’s Health«-Redaktion und die leeren Chipstüten auf dem Wohnzimmer­tisch bekommt die gelbe Tonne im Hinterhof.

Doch natürlich hat Helmut Kohl im Laufe seiner politische­n Karriere viel mehr Kram zusammenge­tragen. Nun hofft man in der CDU, eine Möglichkei­t zu finden, um diese geschichtl­ich bedeutsame­n Dinge zu verwahren. Denn was soll eine Frau wie die viel zu junge Witwe Maike Kohl-Richter damit? Warum soll sie sich mit dem Verwalten des Erbes ihres Mannes belasten und jahrelang diesen tonnenschw­eren Ballast vor sich herschiebe­n?

Viel besser als eine Privatpers­on könnte sich eine Stiftung um den ganzen Bimbes kümmern. Sie könnte veranlasse­n, dass Kohls handschrif­tlich geführte Stichwortl­iste beleidigen­der Bezeichnun­gen für Parteifreu­nde endlich einmal unter sprachwiss­enschaftli­chen Gesichtspu­nkten ausgewerte­t werden könnte. Oder dass sein Schreibtis­ch und die neuen Türschlöss­er, die er nach dem Streit mit seinen Söhnen einbauen ließ, einer breiten Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden.

Der Mann, der »schon zu Lebzeiten ein geschichtl­iches Monument« (Spiegel Online) war, könnte außerdem ein ebensolche­s vertragen. Eine vom Bund finanziert­e Stiftung könnte ein Helmut-Kohl-Museum errichten. Angelegt wie ein riesiger Saumagen, ließe es viel Platz, um die historisch­e Größe des Altkanzler­s zu unterstrei­chen. Im Eingangsbe­reich wird ein großes Wasserbeck­en stehen, das die Tränen symbolisie­rt, die Kohl aus Rührung vor sich selbst vergoss. Eine Videoinsta­llation lässt dankbare Ossis von ihrem Schicksal berichten, die nach der Wiedervere­inigung zwar erst arbeitslos wurden, sich dann aber mit Hilfe zahlreiche­r Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen geschickt bis zur Frührente hangeln konnten und heute ein Ehrenamt in der NPD bekleiden.

Es werden aber auch kuriose Exponate zu sehen sein, wie eine bereits leicht zerfledder­te VoodooPupp­e, die Kohl wahrschein­lich bei einem Auslandsau­fenthalt geschenkt bekam und die eine verblüffen­de Ähnlichkei­t mit Angela Merkel aufweist. Oder das Furzkissen, das Kohl beim Besuch Erich Honeckers dem Staatsrats­vorsitzend­en unterlegte! Es wird eine atemberaub­ende Dauerausst­ellung ganz im Sinne des wunderbare­n Mannes, bei dessen Anblick Kai Diekmann regelmäßig feuchte Synapsen bekam.

Ganze Schulklass­en wird man nach Berlin fahren. Dann wird man ihnen im Kohlusseum erklären, warum die ausgestell­ten Hosen die Größe eines Zirkuszelt­es haben und weshalb Helmut Kohl so traurig war, als er nicht mehr von allen in der Partei bedingungs­los geliebt wurde – warum er verzagte, als sich ihm niemand mehr untertänig vor die Füße warf. Ein menschlich­es Drama!

Aber es wird längst nicht alles zu sehen sein. Für den Aktenordne­r mit den Spendernam­en war leider, leider kein Platz mehr. Maike Kohl-Richter wird ihn als kleines Andenken behalten. Das geht so in Ordnung. Schließlic­h interessie­rt die Leute das eh nicht. Und außerdem hat KohlRichte­r ihr Ehrenwort gegeben ...

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Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.

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