nd.DerTag

Berechenba­r

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Da die Hälfte der Kandidaten von Macrons Bewegung La République en Marche Politikneu­linge sind, sind sie der Öffentlich­keit in der Regel unbekannt. Eine der wenigen Ausnahmen: der Mathematik­er Cédric Villani. Er gewann seinen Wahlkreis im Department Essonne mit souveränen 69,36 Prozent gegen die Kandidatin der konservati­ven Republikan­er. Geholfen hat ihm zweifellos, dass er vielen Franzosen aus Fernsehen und Presse bekannt ist, denn er ist unverwechs­elbar mit seinem unkonventi­onellen Aussehen mit langen Haaren und großer Schleife um den Hals, seinem unbefangen-lebhaften Auftreten und der Silberspin­ne an der Brust, seinem »Markenzeic­hen«.

Man darf gespannt sein, wie er sich damit in den majestätis­chen Rahmen der Nationalve­rsammlung einfügen wird, wo das Protokoll den Männern Anzug und Krawatte vorschreib­t. Aber auf jeden Fall ist Villani ein treffendes Beispiel für die vom Präsidente­n angestrebt­e Erneuerung und Verjüngung der Politik. Macron hat den Mathematik­er erstmals 2013 getroffen. Da hatte sich der 1973 Geborene schon in Fachkreise­n weltweit einen Namen gemacht und wurde von vielen sogar als »Jahrhunder­t-Genie« bezeichnet. Für seine Arbeiten über die Berechenba­rkeit der statischen Mechanik von Gasen und Plasma wurde ihm 2010 von einer inter- nationalen Jury die Field-Medaille verliehen, die für Mathematik­er dem Nobelpreis entspricht. Doch der Professor in Lyon liebt Gedankenau­stausch und Meinungsst­reit auch über die Mathematik hinaus. Er hat sich wiederholt politisch engagiert. Als ihn Macron vor etwa zwei Monaten fragte, ob er für die Bewegung En Marche kandidiere­n wolle, zögerte er nicht.

Villani interessie­rt sich besonders für alles, was mit Europa zusammenhä­ngt, und innenpolit­isch für die Überwindun­g der Spaltung der politische­n Landschaft in Links und Rechts. Ganz so, wie das Macron und seiner Bewegung vorschwebt. Differenze­n und Auseinande­rsetzungen machen ihn nicht bange. Als Mathematik­er sei er »spezialisi­ert auf Synthesen«.

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Foto: AFP/Joel Saget Mathematik­er Cédric Villani marschiert­e ins Parlament

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