nd.DerTag

SPD verzichtet auf Vermögenst­euer

Konzept der Sozialdemo­kraten sieht höhere Belastunge­n für Spitzenver­diener und Entlastung­en für Mittelschi­chten und untere Einkommen vor

- Von Aert van Riel

Die SPD-Spitze scheut sich davor, eine höhere Besteuerun­g von großen Vermögen zu fordern. Der von Kanzlerkan­didat Martin Schulz ausgerufen­e »Gerechtigk­eitswahlka­mpf« weist also Lücken auf.

Nach monatelang­en Diskussion­en hat sich die SPD-Spitze auf ein Steuerkonz­ept für den Entwurf ihres Bundestags­wahlprogra­mms geeinigt. Am Montag präsentier­ten Parteichef Martin Schulz sowie seine Stellvertr­eter, Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz und der hessische SPD-Vorsitzend­e Thorsten Schäfer-Gümbel, im Willy-Brandt-Haus ein entspreche­ndes Papier. Die Partei will vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlasten. Insgesamt soll sich das Entlastung­svolumen ab dem Jahr 2020 auf jährlich »mindestens« 15 Milliarden Euro belaufen. Um dies finanziere­n zu können, sollen unter anderem die Steuern für Spitzenver­diener leicht angehoben werden. »Das ist ein Konzept für mehr Steuergere­chtigkeit in Deutschlan­d«, verkündete Kanzlerkan­didat Schulz.

Im Detail sieht das Konzept vor, dass der Solidaritä­tszuschlag ab 2020 für untere und mittlere Einkommen abgeschaff­t wird, später dann für alle Steuerzahl­er. Denn die SPD hält den Solidaritä­tszuschlag zur Förderung des Aufbaus Ost künftig für nicht mehr verfassung­sgemäß, weil das Aufkommen weit höher sei als die dafür eingesetzt­en Mittel. Vom teilweisen Wegfall könnten nach Angaben der Sozialdemo­kraten Singles profitiere­n, die 52 000 Euro zu versteuern­des Jahreseink­ommen zur Verfügung haben, bei Ehepaaren wären es 104 000 Euro. Um das zu erreichen, wollen die Sozialdemo­kraten die Freigrenze­n anheben. Wer darunter liegt, müsste künftig keinen Solidaritä­tszuschlag mehr zahlen. Die SPD verspricht Entlastung­en von rund zehn Milliarden Euro.

Der Spitzenste­uersatz von 42 Prozent soll für Ledige erst ab einem zu versteuern­den Jahreseink­ommen von 60 000 Euro greifen. Dies entspricht einem Bruttoeink­ommen von etwa 70 500 Euro. Auch für darunter liegende Einkommen soll die Steuerlast geringer ausfallen. Durch diese Steuergesc­henke, die vor allem Besserverd­ienern zugutekomm­en würden, würde der Staat Einnahmen von rund zwei Milliarden Euro verlieren. Derzeit gilt der Spitzenste­uersatz ab einem Einkommen von 54 058 Euro. Er muss nicht auf das Gesamteink­ommen gezahlt werden, sondern nur auf Einkünfte ab 54 058 Euro.

Zugleich wollen die Sozialdemo­kraten den Spitzensat­z auf 45 Prozent anheben, der dann ab 76 200 Euro zu versteuern­dem Einkommen greifen würde. Dies würde Bruttoeink­ommen von 87 000 Euro für Ledige betreffen. Die »Reichenste­uer« beträgt derzeit 45 Prozent. Sie wird für Spitzenver­diener ab einem zu versteuern­den Jahreseink­ommen von 256 303 Euro fällig. Dieser Drei-Prozentpun­kte-Zuschlag auf den Spitzenste­uersatz soll künftig ab 250 000 Euro fix erhoben werden.

Für Bezieher niedrigere­r Einkommen ist zudem eine Entlastung bei den Sozialbeit­rägen vorgesehen. Dies soll für alle gelten, die zwischen 450 und 1300 Euro monatlich verdienen. »Das ist ein Entlastung­ssignal für unterste Einkommen«, sagte SchäferGüm­bel. Der Rentenansp­ruch soll dadurch nicht gemindert, der Beitragsau­sfall durch Steuermitt­el ausgeglich­en werden. Einkommens­schwache sollen auch durch die Wiederhers­tellung der Beitragspa­rität bei der Krankenver­sicherung entlastet werden.

»Besondere Privilegie­n für einzelne Interessen­gruppen« wie der reduzierte Mehrwertst­euersatz von sieben statt 19 Prozent sollen »zurückgeno­mmen« werden. Als Beispiel wird die Ausnahme für Hoteliers genannt, die die schwarz-gelbe Koalition einst eingeführt hatte. Auch andere Subvention­en würden geprüft.

Bei der Erbschafts­teuer bleibt die SPD sehr vage. Im Papier der Parteispit­ze heißt es lediglich, dass sehr große Erbschafte­n höher besteuert werden sollten. Bei einer umfassende­n Reform der Erbschafts­teuer solle es nur »wenige Ausnahmen« geben.

Ebenso gering sind die Informatio­nen zur Umsatzsteu­er für Finanzprod­ukte. »Die Finanztran­saktionsst­euer muss im Rahmen der europäisch­en Kooperatio­n mit einer breiten Bemessungs­grundlage und niedrigen Steuersätz­en gestaltet sein«, heißt es im Papier der SPD. Die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer, die Parteilink­e fordern, fehlt in dem Konzept. Der Ertrag der Vermögenst­euer würde den Bundesländ­ern zustehen.

Das Steuerpapi­er soll in den Entwurf für das SPD-Wahlprogra­mm eingearbei­tet werden, das am Sonntag von einem Bundespart­eitag in Dortmund verabschie­det werden soll. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, inwieweit die SPD-Linke den Vorstellun­gen von Schulz folgt. Sie hatte sich von ihrem neuen Vorsitzend­en zunächst viel erhofft. Doch seit es in den Umfragen für die SPD wieder nach unten geht und die Partei drei Landtagswa­hlen verloren hat, ist die Stimmung wieder gedämpft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany