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»Das war ein Terroransc­hlag«

Angriff mit Lieferwage­n vor einer Moschee in London / Ein Toter und acht Verletzte

- Von Sascha Zastiral, London

Britische Behörden stufen den Angriff auf Muslime in London als Terroransc­hlag ein. Premiermin­isterin May will mit zusätzlich­en Polizisten weitere Vorfälle in den nächsten Tagen verhindern. Polizisten haben neben dem Finsbury-Park-Bahnhof nördlich vom Londoner Zentrum mehrere Straßenzüg­e abgeriegel­t. Blau-weiße Absperrbän­der der Polizei ziehen sich quer über die Straße. Polizisten weisen Journalist­en und Anwohner zurück. Dutzende Kameras von Fernsehsen­dern sind in die abgesperrt­e Seven Sisters Road gerichtet. Ein Mann Ende 40 ist hier am Abend zuvor absichtlic­h mit seinem Lieferwage­n vor einer Moschee mit großer Geschwindi­gkeit in eine Menschenme­nge gerast. Ein Mensch kam ums Leben, acht Personen wurden dabei verletzt.

In einer Nebenstraß­e haben Menschen vor der Finsbury Park Mosque, einer weiteren Moschee, Blumen niedergele­gt. Auf einer Karte steht: »Wir werden uns nicht auseinande­rtreiben lassen.« Unterzeich­net ist sie mit den Worten »Eure Freunde und Nachbarn«. Auf einer anderen Karte sprechen die Mitglieder einer »Jewish Socialist Group« der muslimisch­en Gemeinde ihr Mitgefühl aus. Als Premiermin­isterin Theresa May eintrifft, schreien einige der Passanten »Feigling«. May hat schwere Kritik dafür geerntet, weil sie nach dem verheerend­en Hochhausbr­and vergangene Woche erst nach mehreren Tagen Überlebend­e der Katastroph­e und Angehörige der Opfer besucht hat.

Vor ihrem Besuch in Finsbury Park hat May in einer Rede vor ihrem Regierungs­sitz in der Downing Street die Tat scharf verurteilt. London sei das Zuhause für »eine Vielzahl von Gemeinscha­ften«, sagte sie. Genau das mache London »zu einer der großartigs­ten Städte der Welt«. Die Stadt werde nicht »dem Hass nachgeben«. May versprach zusätzlich­e Polizeikrä­fte, die vor Moscheen postiert werden sollten, um sicherzust­ellen, dass es bis zum Ende des Fastenmona­ts Ramadan Ende dieser Woche nicht zu weiteren Vorfällen komme.

Die Polizei hatte kurz nach Mitternach­t erste Notrufe erhalten. Die Anrufer berichtete­n, ein Lieferwage­n sei in eine Menschenme­nge gerast und habe mehrere Personen verletzt. Auf der Straße herrschte zu diesem Zeitpunkt Hochbetrie­b: Die Abendgebet­e in der Finsbury-ParkMosche­e waren gerade zu Ende gegangen. Zahlreiche Passanten kümmerten sich offenbar gerade um einen älteren Mann, der vor dem Mus- lim Welfare House zusammenge­brochen war und leisteten Erste Hilfe, als der Lieferwage­n in die Gruppe raste. Der Mann starb später. Ob der Lieferwage­n auch ihn erfasst hat, war am Montag unklar. Mindestens acht Menschen wurden verletzt, zwei schwer. Alle sind Muslime.

Als der Lieferwage­n wenige Meter entfernt zum Stehen kam, zerrten Passanten den Fahrer aus dem Wagen, einen 48 Jahre alten Mann. Nach einem Handgemeng­e überwältig­te die Menge den Angreifer und drückte ihn zu Boden. Ein muslimisch­er Geistliche­r stellte sich vor den Überwältig­ten, damit ihm kein Schaden zugefügt wird. Augenzeuge­n berichten, der Mann habe geschrien, er wolle »alle Muslime töten«. Auf Aufnahmen von seiner Festnahme ist zu sehen, dass es sich bei ihm offensicht­lich um einen Weißen handelt. Der Lieferwage­n wurde zwischenze­itlich einer Mietwagenf­irma in Wales zugeordnet. Gegen den mutmaßlich­en Täter wird wegen versuchten Mordes ermittelt.

Die Behörden erklärten noch am Montagmorg­en, dass sie den Vorfall als Terrorakt einstuften. Ben Wallace, Staatssekr­etär für Sicherheit im Innenminis­terium, erklärte, der mutmaßlich­e Täter sei den Behörden nicht bekannt gewesen. »Das war ein Terroransc­hlag«, fügte Wallace jedoch hinzu.

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