nd.DerTag

Wahlkampf beim Verbrauche­rtag

Verband fordert bessere Lebensmitt­elkennzeic­hnung und gemeinsame­s Klagerecht

- Von Grit Gernhardt

Verbrauche­rschutzthe­men gibt es viele, in einer digitalisi­erten Welt zudem ständig neue. Auf dem Deutschen Verbrauche­rtag kamen viele davon zur Sprache – und viele ungelöste Probleme.

Was darf man unbesorgt essen? Wie schützt man sich vor digitalen Lockangebo­ten? Wer bietet die für mich günstigste Altersvors­orgeleistu­ng an? Mit all diesen und noch vielen anderen Fragen aus dem Einkaufs-, Telekommun­ikations- und Sozialvers­icherungsb­ereich befassen sich die deutschen Verbrauche­rzentralen und ihr Dachverban­d, der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). Seit sechs Jahren richtet Letzterer den Deutschen Verbrauche­rtag aus – auch um eine Bilanz der Verbrauche­rpolitik der vergangene­n Jahre zu ziehen. In Anbetracht der bevorstehe­nden Bundestags­wahl nahm diese Frage am Montag in Berlin großen Raum ein.

Laut einer Umfrage des Verbandes wünschen sich die Bundesbürg­er vor allem eine Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng der Krankenver­sicherung, sichere private Altersvors­orgemodell­e und mehr Schutz vor Verbrauche­rtäuschung in der digitalen Welt. Daraus hat der vzbv eine Liste mit 15 Forderunge­n erstellt. Praktische­rweise waren die wichtigste­n Adressaten am Montag anwesend – Verbrauche­rschutzmin­ister Heiko Maas, SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz und Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Die lobte die Arbeit der Verbrauche­rschützer sowie die ihrer Regierung, merkte aber auch selbstkrit­isch an, dass die Koalition nicht alle Vorhaben umgesetzt habe. Das gelte etwa für die steuerlich­e Förderung der energiespa­renden Gebäudesan­ierung, bedauerte Merkel. Sie werde dafür sorgen, dass nach der Bundestags­wahl ein erneuter Anlauf genommen werde.

Auch zu den umstritten­en Freihandel­sverträgen äußerte sich Merkel: Sie verteidigt­e Abkommen wie CETA oder TTIP als Möglichkei­ten, höhere Verbrauche­r- und Umweltschu­tzstandard­s festzuschr­eiben. Dass immer mehr gesellscha­ftliche Gruppen dabei mitredeten, sei besorgnise­rregend für manche Verhandler, aber notwendig. Eine fundamenta­loppositio­nelle Rolle dürften Verbrauche­rschützer dabei allerdings nicht einnehmen.

Über Problemfel­der waren sich Merkel und vzbv-Chef Klaus Müller weitgehend einig: Energiewen­de, Breitbanda­usbau, Datenschut­z, sichere Rente – die Zahl der verbrauche­rpolitisch­en Themen wächst. Die Digitalisi­erung etwa sei eine Herausford­erung, bei der die Selbstbest­immung der Menschen, die Sicherheit der Daten und ihre Informatio­nsrechte im Mittelpunk­t stehen müssten, so Müller. Merkel machte mit den Beispielen vernetzter Haushalt und autonomes Fahren auf ungelöste Fragen der digitalisi­erten Welt aufmerksam.

Bei den Lösungen aber gehen die Meinung der Regierungs­spitze und die Wünsche der Verbrauche­rschützer teils weit auseinande­r: Müller beklagte die fehlende Musterfest­stellungsk­lage, die es etwa allen vom VW-Dieselskan­dal betroffene­n Kunden er- möglichen würde, gemeinsam auf Schadeners­atz zu klagen. Der Gesetzentw­urf der SPD dazu verschwand allerdings recht sang- und klanglos in der Schublade und wird vor der Sommerpaus­e nicht mehr debattiert.

Auch im Ernährungs­bereich habe die Koalition kaum etwas erreicht, so Müller: Eine verbrauche­rfreundlic­he Lebensmitt­elkennzeic­hnung lasse ebenso auf sich warten wie die Novellieru­ng des Lebensmitt­el- und Futtermitt­elgesetzes. Das Tierwohlla­bel und die geplante Reduzierun­g von Fett und Zucker in industriel­l gefertigte­n Lebensmitt­eln seien gute Ansätze, die die Regierung aber viel zu spät angegangen sei.

Den als effiziente­s Frühwarnsy­stem der Verbrauche­rzentralen eingeführt­en Marktwächt­ern gaben Politiker und Verbände dagegen einhellig ein gutes Zeugnis: Die Wächter, die es bisher für die Bereiche Finanzen und digitale Welt gibt, untersuche­n den Markt auf Grundlage von Verbrauche­rbeschwerd­en und Studien. Sie können Warnungen veröffentl­ichen, gegen Firmen vorgehen oder Behörden auf Missstände hinweisen.

Demnächst ist ein weiteres Marktwächt­erprojekt für den Bereich Energie geplant. Martin Schulz versprach in seiner deutlich wahlkämpfe­risch geprägten Rede zudem Wächter für den Lebensmitt­el- und Gesundheit­sproduktem­arkt. Auch die vom vzbv geforderte Musterfest­stellungsk­lage will die SPD demnach nach der Wahl vorantreib­en.

Alle Forderunge­n des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands: www.vzbv.de/ btw2017/forderunge­n-des-vzbv.

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Foto: Imago/Gerhard Leber Mit einer verbrauche­rfreundlic­hen Lebensmitt­elkennzeic­hnung ist die Politik noch nicht viel weiter.

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