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Viel Lob für Portugals Finanzpoli­tik

Ex-Krisenland aus dem EU-Defizitver­fahren entlassen – noch schnellere Rückzahlun­g von IWF-Krediten

- Von Ralf Streck

Die portugiesi­sche Linksregie­rung schafft das, was den Kollegen in Griechenla­nd verwehrt wird: Mit dem Ausstieg aus dem Austerität­skurs kommt die wirtschaft­liche und damit die finanziell­e Erholung.

Portugal kann das Verfahren der EUKommissi­on wegen eines zu hohen Defizits nun verlassen. Das hat der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Kommission­svizepräsi­dent Valdis Dombrovski­s über Twitter mitgeteilt und dem Land für seine »Leistungen« gratuliert. Er zeigte sich »zufrieden« darüber, dass die EU-Finanzmini­ster auf ihrem Ecofin-Treffen am vergangene­n Freitag »den Empfehlung­en für ein Ausscheide­n aus dem Verfahren« gefolgt seien, erklärte Dombrovski­s vor Journalist­en in Brüssel.

Der Schritt war erwartet worden. Es hätte auch keinen Grund mehr gegeben, ihn zu verweigern. Portugal ist es nämlich im vergangene­n Jahr nicht nur gelungen, das Haushaltsd­efizit unter die EU-Stabilität­smarke von drei Prozent in Relation zum Bruttoinla­ndsprodukt zu senken, sondern das Land schaffte es auch, deutlich unter der Vorgabe der Kommission von 2,5 Prozent zu bleiben. Nachdem die Linksregie­rung vor 19 Monaten den Austerität­skurs beerdigte, ist es gelungen, ein nachhaltig­es Wachstum zu erzeugen. Das versetzte Portugal bereits mehrfach in die Lage, die relativ teuren Kredite beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) vorzeitig zurückzuza­hlen.

Nun setzt Lissabon zum noch größeren Befreiungs­schlag an: In 30 Monaten sollen weitere 9,4 Milliarden Euro an IWF-Schulden vorfristig beglichen werden. Sobald man die »formale Genehmigun­g« der EU-Kommission für diesen Schritt habe, werde mehr als eine Milliarde Euro überwiesen, erklärte Finanzmini­ster Mário Centeno. Von den 26,3 Milliarden, die der IWF einst beim EU-Rettungspr­ogramm für Portugal bereitstel­lte, würden dann noch 4,8 Milliarden übrig bleiben.

Den Austerität­skurs, der Griechenla­nd weiter aufgezwung­en wird, hat Lissabon längst hinter sich gelassen. Löhne und Renten, welche die konservati­ven Vorgänger einst gesenkt hatten, wurden wieder erhöht und Steuererhö­hungen zurückgeno­mmen. Damit wurden der Binnenkons­um und die Konjunktur gestärkt. Die Arbeitslos­enrate ist deutlich auf inzwischen 9 Prozent gesunken, während sie in Griechenla­nd noch bei über 23 Prozent liegt. Dies sorgte wiederum für eine Entlastung der Sozialkass­en und höhere Steuereinn­ahmen.

Diesen wirtschaft­spolitisch­en Kurs hatte Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch vor einem Jahr verteufelt. Er prognostiz­ierte, Portugal müsse deshalb bald wieder unter den Rettungssc­hirm ESM kriechen. Dessen Chef Klaus Regling assistiert­e mit der Aussage: »Das einzige Land, das mir Sorge macht, ist Portugal.«

Davon ist nun nichts mehr zu hören. Selbst Schäuble kommt nicht mehr um Lob für Portugal herum und nennt den dortigen Finanzmini­ster Mário Centeno den »Ronaldo der Ecofin«. Mit den vorzeitige­n Rückzahlun­gen komme das Land in den Genuss deutlich niedrigere­r Zinskosten, so Schäuble. Portugiesi­sche Medien zitieren den deutschen Finanzmini­ster mit den Worten, dass es mit der Genehmigun­g keine Probleme geben werde.

Gerechnet wird damit, dass Portugal sich Zinszahlun­gen in Höhe von fast 700 Millionen Euro ersparen kann – Gelder, die stattdesse­n in Infrastruk­turinvesti­tionen, Bildung und Sozialleis­tungen fließen können. Der IWF verlangt für die damaligen Nothilfekr­edite 4,3 Prozent Zinsen pro Jahr, während sich Portugal aktuell dank der Niedrigzin­sphase im Euroraum für kaum mehr als 3 Prozent Geld am Kapitalmar­kt besorgen kann, erklärte Ricardo Mourinho Félix. Damit sichere man die Finanzieru­ng und sorge für »deutlich reduzierte Kosten«, fügte der portugiesi­sche Finanzstaa­tssekretär an.

Indes stufen die großen Ratingagen­turen Anleihen des Landes immer noch als »Ramsch« ein. Wäre Portugal nicht lange schlechtge­redet worden, hätte man längst ein besseres Rating und damit noch günstigere Finanzieru­ngsbedingu­ngen. Aus dem Primärüber­schuss im Staatshaus­halt – ohne Schuldendi­enst – wäre vermutlich ein realer Haushaltsü­berschuss geworden, womit Schulden auch nominal gesenkt werden könnten.

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