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Mitreden bei der G20

Zivilgesel­lschaft fordert gerechtere Globalisie­rung

- Von Sandra Kirchner

Wenn sich die Staats- und Regierungs­chefs der 20 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder Anfang Juli in Hamburg treffen, dann wird das Recht auf Versammlun­gsfreiheit in weiten Teilen der Hansestadt außer Kraft gesetzt. 38 Quadratkil­ometer vom Areal um den Hamburger Hauptbahnh­of bis hin zum Flughafen im Norden sind mit dem Demoverbot belegt. Dabei hatte die Bundeskanz­lerin Angela Merkel der Zivilgesel­lschaft noch im vergangene­n Jahr zugesicher­t, dass diese bei den G20Verhand­lungen eingebunde­n werde – aber nur im dafür vorgesehen­en Rahmen.

Doch die Zivilgesel­lschaft will mitreden. Knapp drei Wochen vor dem G20-Gipfel haben sich seit Sonntag rund 350 Teilnehmer aus 50 Ländern beim sogenannte­n Civil20-Gipfel (C20) in Hamburg getroffen und ein Kommuniqué mit sieben umfangreic­hen Handlungsf­eldern beschlosse­n, wie man Globalisie­rung gerechter gestalten kann. »Wir brauchen mehr soziale Gerechtigk­eit und den Kampf gegen die Umweltkris­e«, sagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt & Entwicklun­g. Mit dem »business as usual« müsse Schluss sein.

Mehrere internatio­nale Arbeitsgru­ppen hatten im Vorfeld des Treffens die C20-Empfehlung­en zu globalen Problemen wie Landwirtsc­haft, Umwelt, Gesundheit, Geschlecht­ergerechti­gkeit, Klima sowie zur Reform des internatio­nalen Finanzsyst­ems und zu verantwort­ungsvollen Investitio­nen erarbeitet. Schon im März erläuterte­n die C20-Mitglieder ihre Positionen den G20-Verhandlun­gsführern, in Hamburg wurden die Forderunge­n nun öffentlich vorgestell­t und ausführlic­h diskutiert.

Nach dem Willen der Aktivisten sollen möglichst viele Forderunge­n in die Abschlusse­rklärung der G20 aufgenomme­n werden. Damit das auch klappt, übergaben sie ihren Forderungs­katalog an Kanzlerin Angela Merkel, die das Treffen am Montagnach­mittag besuchte. Die Einbindung der Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) dürfe nicht davon abhängen, wer gerade den G20-Vorsitz innehabe, sagte Elisabeth Staudt vom Zusammensc­hluss Civil20.

Seit 2009 formieren sich jährlich die zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen, um mit einer Stimme und mehr Gewicht gegenüber den Staats- und Regierungs­chefs auftreten zu können. 2013 wurden die C20 als Beteiligun­gsgruppe der G20 anerkannt. Doch das klappt nur mäßig. »Mit der Türkei, China, Russland und SaudiArabi­en sitzen bei den Treffen der G20 viele Hauptveran­twortliche am Tisch, die die Bürgerrech­te einschränk­en«, kritisiert Maier. Als Russland den Vorsitz innehatte, formuliert­e die Regierung die Forderunge­n der NGOs gleich selbst. Beim chinesisch­en G20-Vorsitz waren etliche Organisati­onen mit großer Nähe zum Staat beim C20Treffen.

Ein weiterer Kritikpunk­t der C20 ist die internatio­nale Klimapolit­ik: Die G20-Staaten seien für 80 Prozent der weltweiten CO2Emissio­nen verantwort­lich, ihnen falle somit eine Schlüsselr­olle bei der zügigen Umsetzung des Pariser Klimavertr­ages zu. Da schon heute klar sei, dass die zugesagten Anstrengun­gen nicht ausreichte­n, um die Klimaschut­zziele zu erreichen, sollen die 20 Länder ihre Bemühungen erheblich verstärken. »Sie sollen sich dazu bekennen, bis 2020 alle Subvention­en für fossile Brennstoff­e auslaufen zu lassen«, verlangt Elisabeth Staudt. Die internatio­nalen Finanzströ­me müssten neu geordnet werden, sodass sich die Wirtschaft­sentwicklu­ng und die Ziele des Klimavertr­ages nicht gegenseiti­g ausschlöss­en. Auch benötigten die kleinen Inselstaat­en und die ärmsten Entwicklun­gsländer stärkere Unterstütz­ung.

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