Radeln statt kämpfen
Der Fahrradclub von Goma lässt junge Kongolesen von einer Profikarriere träumen
In Goma im Ostkongo gibt es kaum asphaltierte Straßen – aber einen Radclub. Von einem Anwalt gegründet, ist er Perspektive und Beschäftigung für junge Kongolesen: Viele träumen von einer Profikarriere.
Jeder seiner Schritte verursacht ein leises Klackern – Rennradschuhe auf Asphalt. Martin Kasereka Mahamba ist nach einer halben Stunde schon wieder vom Training zurück, das Rad schiebt der Kongolese neben sich her. »An der Schaltung ist etwas gebrochen«, erklärt der 26-Jährige bedrückt. Das ist kein Wunder bei den Straßen in der ostkongolesischen Metropole Goma: Die meisten sind von spitzem Lavagestein überzogen, seit der nahe Vulkan Nyiragongo vor 15 Jahren ausbrach und die halbe Stadt begrub. Die Straßen sind von Lavagestein bedeckt – oder von Schlaglöchern übersät, in der Regenzeit schlammig und in der Trocken- zeit voller Staub. Asphaltiert sind nur einige Kilometer.
Weil Mahamba von einer Karriere als Profi-Fahrer träumt, trainiert er dennoch täglich und kennt jeden asphaltierten Zentimeter. Der chaotische Verkehr in Goma schreckt ihn nicht ab, dabei ist das Radfahren hier lebensgefährlich. Motorradtaxen, Kleinbusse, hölzerne Lastfahrräder und Händler mit Handkarren erkämpfen sich ihren Weg auf Pisten und Straßen. Mahamba sprintet nicht allein durch das Gewühl: Er trainiert mit zwei Dutzend aktiven Radlern des »Goma Cycling Clubs«, des Fahrradclubs von Goma.
Den gründete Charles-Guy Makongo, radsportversessener Jurist aus Kamerun, vor einem guten Jahr. Der Anwalt arbeitet für die US-Anwaltskammer in Goma und verdient als ausländischer Experte gutes Geld. Seine Familie ließ Makongo aus Sicherheitsgründen in Kamerun. Also hat er nicht nur Geld, sondern auch Zeit.
Von beidem investiert er einiges in den Club. Jeden Morgen um sechs, bevor der Verkehr allzu wild wird, trifft er sich mit den Fahrern. Nach dem Training spendiert Makongo den Sportlern Trinkjoghurt und Tschapati, ein aus Pakistan stammendes Fladenbrot. »Für viele ist das die einzige Mahlzeit am Tag«, sagt der Anwalt.
Während seine Schützlinge möglichst schnell durch das Chaos sprinten, begleitet sie Makongo auf seinem schweren Motorrad. Und er unterstützt die Radler auch finanziell: Gibt ihnen Geld, wenn Reparaturen fällig werden, zahlt ihnen das Startgeld bei Rennen, kauft Kleidung und manchmal auch Räder. Makongo ist stolz darauf, dass einige seiner Schützlinge schnell Karriere machen. Jimmy Mohindo, einst einer von ihnen, wurde im vergangenen Jahr sogar kongolesischer Meister.
Aber eigentlich geht es ihm nur in zweiter Linie um den Sport. »Je mehr junge Leute wir hier einbinden, desto weniger können sich kriminellen Gruppen anschließen«, erklärt Makongo. »Wenn man mit dem Rennrad hart trainiert hat, will man anschließend nur noch essen und schlafen.«
Die Perspektiven für junge Menschen in Goma sind schlecht. Es gibt kaum Arbeit, die Kriminalität ist hoch und in der Provinz Nord-Kivu kämpfen etliche bewaffnete Gruppen um die Macht. Bis auf die wenigen Schüler und Studenten sind auch die Mitglieder des Fahrradclubs arbeitslos, auch Jacob Kawasua, der ein Management-Diplom hat. »Bis ich eine richtige Arbeit finde, fahre ich lieber Rad, als zu Hause herumzusitzen. Vielleicht ergibt sich daraus ja noch ein Beruf«, sagt der 29-Jährige und meint damit eine Profi-Karriere.
Sein Mentor Makonogo verfolgt jedoch längst einen Plan B: Er hat Kawasua zum Vize-Präsidenten des Radclubs ernannt. »Auf diese Weise kann er etwas praktische Erfahrung im Management sammeln.« Die meisten Clubmitglieder haben aber kaum die Schule besucht. Mit denen übt Ma- kongo während Trainingspausen spielerisch Französisch und lässt sie beispielsweise Verben konjugieren.
Mahamba lebt zurzeit davon, dass er in seinem Stadtviertel Fahrräder repariert oder Kindern das Fahren beibringt. Damit verdient er zwischen 1000 und 3000 kongolesische Francs am Tag, etwa ein bis drei Euro. Das sei viel besser als früher, sagt der junge Mann. »Der Radsport hat mein Leben verändert.« Mahamba wohnt mit seinem Bruder zusammen, für den er einen Teil der Schulgebühren zahlt.
Sein Rennrad ist Mahambas größter Stolz. Die 335 US-Dollar für den blauen Flitzer gewann er bei einem Rennen in der 600 Kilometer westlich gelegenen Stadt Kisangani. »Früher hätte ich mir niemals auch nur ein Fahrrad für zehn Dollar leisten können.« Der Erfolg von Vereinsmitgliedern wie von Kongo-Meister Jimmy Mohindo lässt ihn weiter darauf hoffen, dass auch seine große Zeit noch kommt.