nd.DerTag

Pferdegeru­ch ist kein Schweinemi­ef

Gericht in Niedersach­sen erlaubt Umbau eines Rinderstal­ls zum Rossquarti­er

- Von Hagen Jung

Ein Züchter darf seinen früheren Kuhstall zum Quartier für Pferde umbauen. Das hat Niedersach­sens Oberverwal­tungsgeric­ht entschiede­n und festgestel­lt: Rösser riechen nicht schlimmer als Rinder. Wo früher Kühe muhten, sollten künftig Pferde wiehern, dachte sich ein Züchter in Isernhagen bei Hannover und beschloss: Der alte Rinderstal­l wird dafür hergericht­et! Ordnungsge­mäß beantragte der Mann den Umund Ausbau bei der zuständige­n Behörde, der Region Hannover, bekam von ihr die Genehmigun­g fürs Pferdequar­tier. Insgesamt 16 Rösser nebst Fohlen sollten dort Einzug halten.

»Denkste, nicht mit mir«, so reagierte ein Nachbar. Sein Argument gegen die Stallpläne: Pferde riechen unangenehm, und für Menschen, die ganz in ihrer Nähe wohnen, sei das auf Dauer nicht zumutbar. Gesagt, geklagt, und im April gab das Verwaltung­sgericht in Hannover der empfindlic­hen Nase vorerst Recht. Im Eilverfahr­en schob es der bereits erteilten Baugenehmi­gung einen Riegel vor. »Vorläufige­n Rechtsschu­tz« nennen Juristen so etwas. Das Gericht gewährte ihn seinerzeit, weil nicht auszuschli­eßen sei, dass von den Pferden eine unzulässig­e Geruchsbel­ästigung ausgehen werde.

Zweifel bestünden daran, ob für Pferde und Rinder »bezüglich der Geruchsbel­astung derselbe Gewichtung­sfaktor anzulegen sei«, meinte die Verwaltung­sjustiz in der Landeshaup­tstadt und konstatier­te: Die Frage, »wie die Geruchsqua­lität der Tierart Pferd« zu bewerten sei, bedürfe einer »eingehende­n wissenscha­ftlichen Überprüfun­g«.

Der Züchter aber wollte sein Vorhaben nicht aufgeben, erhob Beschwerde gegen den Spruch aus Hannover. Nun musste sich die zweite Instanz, das Oberverwal­tungsgeric­ht in Lüneburg, mit der Sache be- fassen und klären: Sind die Ausdünstun­gen der Familie Pferd schlimmer als die Gerüche aus einem Kuhstall? Ein solcher war ja seit Jahren erlaubt auf besagtem Grundstück. Wer nun aber mutmaßt, die Richter hätten sich bei ihrer Entscheidu­ng womöglich von individuel­ler Sympathie für würzige Landluft bewegen lassen, irrt sehr. Wie so vieles in Deutschlan­d, sind auch Gestank und dessen Bewertung präzise geregelt. So auch in Niedersach­sen. Den Tier- mief dort klassifizi­ert das Umweltmini­sterium nach »Gewichtung­sfaktoren«. In die Kategorie 0,5 sind beispielsw­eise Milchkühe eingeordne­t, Schweine in die Stinkeklas­se 1, Mastgeflüg­el führt aufgrund seines intensiven Geruchs mit 1,5. Aber Pferde, so nun das OVG-Urteil, seien »aller Voraussich­t nach nur mit dem Gewichtung­sfaktor 0,5 – wie etwa für Rinder – anzusetzen, weil sie deutlich geringere Geruchsemi­ssionen verursache­n als Schweine«.

Doch dies war nur einer der Gründe für den Richterspr­uch, der den Bau erlaubt. Zugunsten des Züchters fiel die Entscheidu­ng auch aus, weil die Pferde nur etwa ein halbes Jahr im strittigen Stall zubringen. Die Nachbarsch­aft müsse das andere halbe Jahr den Geruch ja nicht hinnehmen, gab das OVG zu bedenken. Zu berücksich­tigen sei auch, dass die Pferde »in einem durch Tierhaltun­gen stark vorbelaste­ten Gebiet« gehalten werden. Das erhöhe »die Pflicht der Nachbarn, Gerüche hinzunehme­n«. Diese – laut OVG unanfechtb­are – Entscheidu­ng dürfte zugleich ein Signal an Bau- und Ansiedlung­swillige sein, die so gern »ruhig und idyllisch auf dem Lande« leben wollen, nach Bau oder Kauf eines Häuschens aber feststelle­n: »Igitt, hier riecht es ja nach Schwein!« Doch gegen einen Landwirt, der im Dorf seit Generation­en jene Borstentie­re züchtet, werden Zugereiste wohl kaum erfolgreic­h anstinken können.

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Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch Sie dürfen weiter im alten Rinderstal­l wohnen.

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