Geheime Dokumente zu EU-Japan-Abkommen geleakt
DGB und Grüne kritisieren mangelnde Transparenz und Nachhaltigkeit bei geplantem Freihandelsvertrag
Ein Hauptkritikpunkt an den Verhandlungen zum CETA-Freihandelsabkommen der EU mit Kanada war die mangelnde Transparenz. Auch bei anderen Punkten hat man in Brüssel nicht dazu gelernt.
Berlin. Nach der Veröffentlichung von geheimen Verhandlungsdokumenten zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und Japan ist die Empörung groß: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf der EUKommission »Geheimniskrämerei« vor. Es sei »ein Witz, wenn die Zivilgesellschaft bei jedem Abkommen aufs Neue um die banalsten Informationen betteln muss«, erklärte DGB-Chef Rainer Hoffmann am Samstag in Berlin. Auch die Grünen kritisierten »einen neuen Tiefpunkt der Intransparenz«.
Greenpeace Niederlande hatte am Freitag rund 200 bislang geheime Verhandlungsdokumente veröffentlicht, die meisten von ihnen aus dem Zeitraum zwischen Ende 2016 und Anfang 2017. Die EU und Japan wollen das Abkommen bis Ende des Jahres zu Ende verhandeln, schon beim EU-Japan-Gipfel nächste Woche in Brüssel soll die politische Einigung verkündet werden.
Auch inhaltlich gibt es viel Kritik. Greenpeace monierte, dass nachhaltige Entwicklung und Arbeitsrechte den Dokumenten zufolge bislang nur unzureichend in dem geplanten Abkommen verankert seien. Die Umweltschutzorganisation verweist ins- besondere auf schwache Vereinbarungen bei der Bekämpfung illegaler Abholzungen und zum Schutz der Wale. Japan muss hier demnach keine ernsten Verpflichtungen eingehen.
Der grüne Europapolitiker Sven Giegold verwies auf die bislang vereinbarten Standards zu den umstrittenen Schiedsgerichten. Investoren könnten ihre Rechte vor undemokratischen Schiedsgerichten einklagen. Diese Gerichte fielen hinter die Standards zurück, welche die EU nach langem Streit im CETA-Handelsabkommen mit Kanada durchgesetzt hatte. Grünen-Chefin Katrin GöringEckardt mahnte: »Fairer Handel geht anders.« Schiedsgerichte, die Konzerninteressen privilegierten, intransparente Verhandlungen und fehlende Verbraucher- und Umweltstandards seien »No-Gos für die Handelspolitik im 21. Jahrhundert«.
DGB-Chef Hoffmann erklärte, er erwarte von der japanischen Regierung die Verpflichtung, grundlegende arbeitnehmerrechtliche Standards zu ratifizieren und umzusetzen. Doch die Veröffentlichung der Dokumente zeige, dass das Abkommen genau diese verbindliche Ratifizierung nicht vorsehe. Der DGB setze das aber bei Aufnahme der Verhandlungen voraus – gerade bei Abkommen zwischen Industrieländern.
Japan ist der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien. Gemeinsam machen beide mehr als ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Die Gespräche über das Abkom- men hatten beide Seiten im März 2013 begonnen. Der schnelle Abschluss soll auch ein Signal an US-Präsident Donald Trump sein, der eine protektionistische Wirtschaftspolitik vertritt. Das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen EU und USA liegt seit seinem Amtsantritt auf Eis.
Die EU und Kanada hatten 2016 ihre Verhandlungen über das CETAAbkommen abgeschlossen. Endgültig kann es erst in Kraft treten, nachdem es von 38 nationalen und regionalen Parlamenten in den EU-Staaten ratifiziert wurde. TTIP und Ceta waren auch deshalb stark umstritten, weil die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abliefen. Die EUKommission hatte Besserung gelobt.
Massendemos, Dauertalk, nächtliche Liveberichte über die letzten Zuckungen des Widerstands der wallonischen Regionalregierung: Der Streit um das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA war im Herbst ein Riesenthema. Erstaunlich ist daher die relative Ruhe um die Verhandlungen mit Japan in ähnlicher Sache. Traut man den höflichen Japanern weniger Unbill zu als jenen nordamerikanischen Konzernen, denen – so die Befürchtung – CETA Tür und Tor für die Missachtung von Sozial- und Umweltstandards öffnen sowie Milliardenklagen gegen demokratische Gesetze ermöglichen würde?
Am Freitag hat Greenpeace 200 Seiten aus den Verhandlungsunterlagen veröffentlicht. Die Formulierungen bleiben hinter CETA teils zurück, bis ins Grundsätzliche. So wird etwa das »right to regulate« – das Recht der Regierungen, Regelungen zu treffen, die Auswirkungen auf Investitionen haben könnten, ohne sich Schadensersatzforderungen auszusetzen – auf »notwendige Maßnahmen hinsichtlich legitimer politischer Ziele« beschränkt. Was ist »notwendig«, was »legitim«? Wer entscheidet das?
»JEFTA« taugt nicht weniger zum Aufreger als jene beiden Abkommen, die 2016 Furore machten. Ein Anlass böte sich beispielsweise bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg.